Suchttherapie 2015; 16 - S_05_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557518

Hat Stigmatisierung einen Einfluss auf das Hilfesuchverhalten von Frauen mit einer Dualproblematik (Sucht und Gewalt)?

I Vogt 1
  • 1ISFF, Frankfurt University of Applied Sciences

Einleitung: Frauen (und Männer) mit psychischen Störungen müssen mit Etikettierungen und Stigmatisierungen rechnen. Das gilt in besonderem Maß für süchtige Frauen, die zudem von Gewalt betroffen sind. Die Frage ist, ob sich Stigmatisierung auf das Hilfesuchverhalten von Frauen mit einer Dualproblematik – also auf süchtige Frauen, die zudem von Gewalt in der Partnerschaft und im sozialen Nahraum bedroht sind – auswirkt.

Methoden: Qualitative Interviews mit 45 Frauen mit einer Dualproblematik mit dem Ziel, die informellen und formalen Hilfen der Interviewpartnerinnen und deren Nutzung zu erkunden. Zusätzlich wurden 8 qualitative Interviews mit Experten und Expertinnen (Polizei, Jugendämter, Suchthilfe) durchgeführt. Die Auswertung orientiert sich am Vorgehen der Inhaltsanalyse. Praktisch handelt es sich um ein Mehrebenen-Analyse-Verfahren, wobei die erste Ebene mithilfe von MAXQDA durchgeführt worden ist. Alle weiteren Auswertungsschritte wurden händisch durchgeführt. Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass die Aussagen in ihrem Kontext besser rekonstruiert werden können.

Ergebnisse: Die Frauen nutzen informelle Hilfen, soweit diese noch vorhanden sind, und formale Hilfen (Frauenhäuser, Polizei, Suchthilfe, Ärzte und Ärztinnen), allerdings nicht immer freiwillig (Jugendämter). Mit der zunehmenden Ausprägung der Dualproblematik kommt es zu Etikettierungsprozessen mit Stigmatisierungen auch durch Experten und Expertinnen von helfenden Organisationen und staatlichen Institutionen sowie zur Selbststigmatisierung. Allerdings ergeben sich keine systematischen Zusammenhänge zwischen den Stigmatisierungsprozessen und den Strategien der Frauen, mit Gewalt in der Partnerschaft umzugehen.

Diskussion: Ob und wie Stigmatisierungsprozesse auf das Hilfesuchverhalten von Frauen mit einer Dualproblematik einwirken, muss in weiteren Studien genauer untersucht werden.