Suchttherapie 2015; 16 - S_07_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557523

Lebenszeit- und 12-Monatsprävalenz der Internet Gaming Disorder in der deutschen Erwachsenenbevölkerung: Wie sich das Spielverhalten Betroffener von unauffälligen Spielern unterscheidet

F Rehbein 1, T Mößle 1, HJ Rumpf 2, G Bischof 2, A Bischof 2
  • 1Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.
  • 2Universität Lübeck

Einleitung: Die im DSM-5 als Forschungsdiagnose aufgenommene Internet Gaming Disorder (IGD) umfasst insgesamt neun Kriterien, von denen für die Diagnosestellung fünf in einem 12-Monatszeitraum aufgetreten sein müssen (American Psychiatric Association, 2013; Petry et al., 2014). Die Diagnose darf für die pathologisch betriebene Nutzung von Video- oder Computerspielen vergeben werden, und zwar unabhängig von der genutzten Plattform, dem genutzten Spielgenre und der Frage, ob Online- oder Offlinespiele in problematischer Weise genutzt werden. Inzwischen liegen erste Schätzungen zur 12-Monatsprävalenz von IGD vor (Lemmens, Valkenburg & Gentile, 2015; Rehbein, Kliem, Baier, Mößle & Petry, 2015). Neben der Bestimmung von 12-Monatsprävalenzen ist allerdings von epidemiologischem Interesse, wie viele Menschen eine Lebenszeitdiagnose Internet Gaming Disorder aufweisen. Dieser Frage wurde zwar bereits in Studien zur Internetabhängigkeit (Rumpf, Meyer, Kreuzer & John 2011), nicht aber in Studien zur IGD nachgegangen. Eine weitere Kenntnislücke betrifft das konkrete Spielverhalten der betroffenen Personen. So liegen bislang kaum Daten zu der Frage vor, auf welchen Plattformen (z.B. PC, Spielkonsole, Smartphone) ein abhängiges Computerspielen im Sinne der IGD in erster Linie betrieben wird oder ob sich weitere Besonderheiten im Spielverhalten zeigen (z.B. betreffend der Vorliebe für bestimmte Spiele mit erhöhtem Risikopotenzial).

Methoden: Die Datengrundlage bildet eine telefongestützte repräsentative Befragung unter N = 4500 Personen im Alter zwischen 16 und 69 Jahren in Deutschland (Random Call Festnetz + Mobil-Only, Auswahl nach Geburtstagsschlüssel). Zum Einsatz kam ein vollstandardisiertes klinisches Interview, welches sich an den Vorgaben der CIDI-Diagnostik orientiert (Wittchen, Kessler & Ustun, 2001) und dabei eine unmittelbare Weiterentwicklung und Adaption des in der PINTA-DIARI-Studie verwendeten Diagnoseverfahrens darstellt (Bischof, Bischof, Meyer, John & Rumpf, 2013). Abgefragt wurden zudem die genutzten Spielgenre, Lieblingsspiele und genutzte Spieleplattformen.

Ergebnisse: Während die Prävalenz der IGD-Kriterien in der 12-Monatsperspektive 0,2% bis 5,7% beträgt, fällt deren Lebenszeitprävalenz mit 0,7% bis 12,8% deutlich höher aus. Für das Störungsbild IGD ergibt sich eine 12-Monatsprävalenz von 0,8%. Männer sind mit 1,0% etwas häufiger betroffen als Frauen mit 0,5%, wobei der Geschlechterunterschied geringer als in vergleichbaren Studien zum Jugendalter ausfällt. Die Prävalenz fällt in der Lebenszeitperspektive deutlich höher aus. Ferner zeigt sich, dass IGD bei Personen mitbestimmten Spielvorlieben besonders häufig auftritt.

Diskussion: Die Daten geben Aufschluss über die Verbreitung von IGD in verschiedenen Subpopulationen in Deutschland und zum Spielverhalten der betroffenen Personen und somit wichtige Impulse für die Prävention und klinische Praxis.