Suchttherapie 2015; 16 - S_07_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557525

Sensation Seeking: Ein Korrelat der Internetsucht?

KW Müller 1, M Dreier 1, ME Beutel 1, K Wölfling 1
  • 1Universität Mainz

Einleitung: Dem Persönlichkeitskonstrukt Sensation Seeking (Tendenz, aktiv nach externer Stimulation zu suchen) wurde in der Erforschung von Abhängigkeitsphänomenen bereits früh Bedeutung beigemessen. Im Zusammenhang mit Alkoholabhängigkeit konnten positive Zusammenhänge belegt werden, wohingegen sich die Befundlage bei substanzungebundenen Suchterkrankungen heterogen darstellt. In Verbindung mit Pathologischem Glücksspiel wurden vereinzelt positive Korrelationen nachgewiesen, insgesamt betrachtet jedoch ergeben sich nur schwache Assoziationen (McLaren et al., 2011). Auch im Zusammenhang mit Internetsucht wird Sensation Seeking als prädisponierender Faktor diskutiert. Erste empirische Überprüfungen, die sich jedoch zumeist auf selektive Stichproben stützen, konnten entsprechend erhöhte Werte nachweisen (Guo et al., 2009).

Methoden: Unter Verwendung der Sensation Seeking Scale V (SSS-V; Zuckerman et al., 1978) wurden N = 243 Patienten einer spezialisierten Behandlungseinrichtung, die die klinischen Kriterien der Internetsucht erfüllten (operationalisiert mittels Fragebogen und klinischem Interview, AICA-S und AICA-C, Wölfling et al., 2012) mit N = 142 gesunden Kontrollpersonen und N = 103 Personen, welche ein exzessives, jedoch klinisch unauffälliges Nutzungsverhalten aufwiesen verglichen. Effekte von Geschlecht, Lebensalter und Form internetsüchtigen Verhaltens wurden gesondert betrachtet.

Ergebnisse: Während sich keine signifikanten Effekte für weibliche Probanden fanden, ergaben sich bei männlichen Versuchsteilnehmern schwache Zusammenhänge, die auf eine verminderte Ausprägung von Sensation Seeking bei internetsüchtigen Patienten (M = 19,4 vs. M = 21,6; p = 0,014) hindeuten und sich insbesondere in verminderten Werten in der Subskala Disinhibition niederschlugen (M = 4,2 vs. M = 5,2, p = 0,005). Eine explorative Betrachtung der Ausprägung von Sensation Seeking bei einzelnen Subformen internetsüchtigen Verhaltens erbrachte keine signifikanten Differenzen.

Diskussion: Vergleichbar zum Pathologischen Glücksspiel finden sich bei Internetsucht keine erhöhten Werte in Sensation Seeking, sondern zum Teil verminderte Werte. Die Ergebnisse decken sich mit klinischen Erfahrungswerten, die bei Patienten mit Internetsucht eher eine verminderte Explorations- und Risikobereitschaft dokumentiert haben. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit bisherigen Störungsmodellen zur Internetsucht diskutiert.