Suchttherapie 2015; 16 - S_09_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557533

Rauchen, Alkoholkonsum und Binge drinking bei Jugendlichen: Welche Rolle spielen körperliche Aktivität, Fitness und sitzende Verhaltensweisen?

B Isensee 1, V Suchert 1, R Hanewinkel 1
  • 1Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord gGmbH, Deutschland

Einleitung: Einige Studien zum Zusammenhang von körperlicher Aktivität und Substanzkonsum zeigen, dass ein hohes Ausmaß körperlicher Aktivität und die Ausübung von Sport in Schule, Verein und Freizeit die Wahrscheinlichkeit insbesondere für das Rauchen senken, während ein hohes Ausmaß sitzender Verhaltensweisen die Wahrscheinlichkeit für den Konsum von Alkohol und Zigaretten erhöht. Da viele dieser Studien auf querschnittlichen Erhebungen beruhen, bleibt die Wirkrichtung dieser Assoziationen unklar.

Methoden: Daten aus einer längsschnittlichen Studie an 1.296 Jugendlichen (Alter M = 13,8 Jahre, SD = 0,7; 53% männlich) aus 61 Klassen der 8. Klassenstufe. Die Jugendlichen wurden im Januar/Februar und im Juni/Juli 2014 mittels Fragebogen zu ihrem Substanzkonsum, zu körperlicher Aktivität und sitzendem Verhalten befragt. Zudem wurden Körpergröße und Gewicht gemessen und in einem Lauftest die kardiorespiratorische Fitness erfasst. Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität, Fitness, sitzendem Verhalten und Substanzkonsum wurden mittels linearer und logistischer Regressionen bestimmt, wobei Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Sensation Seeking, Schultyp und BMI als Kontrollvariablen aufgenommen wurden.

Ergebnisse: Im Querschnitt war das Ausmaß sitzender Verhaltensweisen positiv mit Rauchen, derzeitigem Alkoholkonsum und Binge drinking assoziiert. Klare Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Indikatoren körperlicher Aktivität und der Fitness mit dem Substanzkonsum fanden sich nicht. Im Längsschnitt ergab sich ein tendenzieller Zusammenhang zwischen dem Ausmaß sitzender Verhaltensweisen zur Baseline mit der Inzidenz des Rauchens und des Binge drinkings im Beobachtungszeitraum.

Diskussion: In der vorliegenden Studie konnten – in einer jugendlichen Stichprobe mit begrenztem Altersrange – Befunde aus der Literatur zum Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Substanzkonsum weitgehend nicht repliziert werden. Dagegen war das Ausmaß sitzender Verhaltensweisen auch bei Kontrolle anderer Einflussfaktoren im Querschnitt ein bedeutsamer Einflussfaktor für Substanzkonsum sowie längsschnittlich in der Tendenz auch ein Prädiktor für inzidentes Rauchen und Binge drinking. Diese Befunde können eher in Richtung einer Clusterung von verschiedenen riskanten Verhaltensweisen interpretiert werden und weniger als Beleg für den Ansatz, die Förderung körperlicher Aktivität als suchtpräventive Maßnahme einzusetzen.

Förderhinweis: Deutsche Krebshilfe (Förderzeichen: 110012).