Suchttherapie 2015; 16 - S_10_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557537

Vorschläge zum „Kölner Memorandum: Evidenzbasierung in der Suchtprävention“ – Evidenz zu Public Health

U John 1, C Meyer 1, J Freyer-Adam 1, S Ulbricht 1, G Bischof 2, HJ Rumpf 2
  • 1Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
  • 2Universität Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Forschungsgruppe S:TEP

Einleitung: Das Memorandum wirft relevante Fragen der Evidenz und ihres Nachweises auf und ist damit eine sehr unterstützenswerte Initiative in einer Nation größter Präventionsdefizite. Es beinhaltet jedoch noch Unklarheiten bezüglich der Evidenzbasierung und berücksichtigt nicht konsequent relevante Zielgrößen. Ziel dieses Beitrages ist es, vorhandene Evidenz und Kriterien zur Evidenzgenerierung für die Integration in das Memorandum zur Diskussion zu stellen.

Methoden: Die vorhandene Evidenz wird aus Sicht von Public Health zusammengefasst. Zwei Arten von Evidenz werden betrachtet: Erfahrungswissen von Nationen in Bezug auf tabak- und alkoholbedingte Erkrankungen und Todesfälle vor und nach Einführung umfassender Präventionsprogramme sowie Ergebnisse aus Kontrollgruppenstudien mit Bevölkerungsbezug. Umfassende Prävention bedeutet, dass alle Maßnahmen eingesetzt werden, die als wirksam belegt sind oder zumindest Hinweise darauf geben. Durch die Maßnahmen wird Public-Health-Impact generiert: Verbesserungen von Outcomes nach Senkungen von Gesundheitsrisiken in Bevölkerungen.

Vorhandene Evidenz wird mit drei Elementen umfassender Prävention beschrieben: Teilnehmergewinnung, Leistungen und Outcomes. Teilnehmergewinnung beinhaltet, möglichst große Teile von Zielbevölkerungen zum Mitmachen an Aktivitäten zu motivieren. Leistungen umfassen Verhaltensänderung durch Modifikation von Umwelten einschließlich Senkung der Attraktivität gefährlicher Konsummittel, u.a. mittels Gesetzen, direkte Verhaltensänderung, z.B. durch Beratung, und Senkungen sozialer Gegensätze in Nationen. Outcomes schließen die Intention zur Verhaltensänderung, die Verhaltensänderung selber sowie suchtmittel-attributable Krankheiten und Todesfälle ein. Kriterien zur Evidenzgenerierung sind: Reach (hohe Quoten von Teilnehmern), Efficacy (Wirksamkeit), Adoption (hohe Quoten von Programmanwendern), Implementation (Programmtreue bei der Anwendung) und Maintenance (Aufrechterhaltung der Anwendung) (RE-AIM).

Diskussion: Das Kölner Memorandum sollte aus unserer Sicht erweitert und konkretisiert werden. Dabei erscheint vor allem von Belang: 1. International reicht das Wissen aus, um Präventionsleistungen mit Public-Health-Impact zu schaffen. Es kommt jetzt darauf an, die bewährten Leistungen in die Praxis umzusetzen. 2. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Entwicklung und mangelnden Umsetzung in die Praxis ist erforderlich, dass die Leistungen umfassend sind. Dabei kommt es auf eine breite Vernetzung an. 3. Vorhandene Evidenz reicht aus, um Prävention als der medizinischen Versorgung ebenbürtigen Part in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung zu etablieren. 4. Vorhandene Evidenz zeigt, dass Kooperationen zwischen Prävention und Gesundheitsförderung einerseits und medizinischer Versorgung andererseits Chancen auf Synergien bieten.