Suchttherapie 2015; 16 - S_14_04
DOI: 10.1055/s-0035-1557552

Benzodiazepine und Z-Substanzen – Einnahmeverhalten und Motive bei älteren Menschen

S Kuhn 1, U Verthein 1, R Holzbach 2, J Dirmaier 3, A Mokhar 4
  • 1Zentrum interdisziplinäre Suchtforschung, Universität Hamburg
  • 2Westfälische Kliniken Warstein und Lippstadt
  • 3Institut für klinische Psychologie, UKE
  • 4Institut und Poliklinik für medizinische Psychologie, UKE

Einleitung: Die für die Verschreibung von psychisch wirksamen Medikamenten besonders relevante Zielgruppe der älteren Menschen ab 65 Jahren wird in Repräsentativstudien nicht ausreichend berücksichtigt. Studien zeigen jedoch, dass gerade ältere Menschen von missbräuchlichen bzw. abhängigkeitsgefährdenden Verordnungen von Benzodiazepinen und Z-Substanzen besonders betroffen sind.

Methoden: Die vom BMG geförderte Studie untersucht in einem Teilprojekt die Ursachen und Bedingungen der Langzeiteinnahme von Benzodiazepinen und Z-Drugs aus Sicht der Patienten, Angehörigen und Ärzten. Dazu erfolgte im ersten Schritt in Zusammenarbeit mit der AOK Nord/West und Apotheken im Großraum Hamburg eine ausführliche schriftliche Befragung von Patienten mit und ohne leitliniengerechte Verschreibung, stratifiziert nach zwei Altersgruppen (50 – 65 Jahren, > 65 Jahren). In vertiefenden Interviews mit Ärztinnen und Ärzten, Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen wurde vor allem auf den Übergang in die Langzeiteinnahme, den Umgang mit problematischen Verschreibungssituationen und die alternativen Behandlungsmöglichkeiten fokussiert.

Ergebnisse: 520 ältere Menschen konnten zu ihrer Lebenssituation, eingenommenen Medikamenten, Absetzversuchen, Wirkungen und Nebenwirkungen, Schlafqualität, Lebensqualität sowie psychischen Problemen befragt werden. Hauptgrund für die Verschreibungen sind Schlafstörungen. Die Gruppe der älteren Patienten mit nicht-bestimmungsgemäßem Gebrauch zeichnet sich durch einen höheren Anteil alleinstehender und pflegebedürftiger Menschen aus. Zopiclon ist die am häufigsten nicht-bestimmungsgemäß verschriebene Substanz. 4/5 der jüngeren Patienten mit nicht-bestimmungsgemäßem Gebrauch berichten von Absetzversuchen der Medikamente, die in der Regel erfolglos abgebrochen werden. Weitere Ergebnisse werden präsentiert.

Diskussion: Über den Gebrauch von Benzodiazepinen und Z-Substanzen bei älteren Menschen sowie deren Motive und Einnahmeverhalten ist bisher nur wenig bekannt, was den Stellenwert spezieller Studien zu diesem Thema unterstreicht. Insbesondere der (häufig auf Privatrezepten verordnete) Langzeitgebrauch dieser Substanzen bei Menschen ab 60 Jahren fordert zur Diskussion heraus: einerseits gesundheitspolitisch, im Sinne eines gesellschaftlich angemessenen und gewünschten Umgangs mit pharmakologischen Interventionen bei älteren Menschen, andererseits klinisch, im Hinblick auf alternative Behandlungsstrategien sowie multiprofessionelle Versorgungskonzepte bei langfristig zu behandelnder psychischer Symptomatik.