Suchttherapie 2015; 16 - S_21_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557578

Ein manualisiertes Pflegekonzept für KonsumentInnen illegaler Drogen in der stationären Altenpflege – Konzeptentwicklung und -evaluation

U Kuhn 1
  • 1KatHO NRW, Abt. Köln

Einleitung: Verschiedenen Studien zufolge wächst die Anzahl von DrogenkonsumentInnen, die in ein höheres Lebensalter kommen (Schaeffler, 2010). Prognosen gehen davon aus, dass sich der Anteil der älteren Opioid/Drogenabhängigen in den kommenden 10 Jahren verdoppeln oder gar verdreifachen wird (Beynon et al., 2007; Gfroerer et al. 2002, 2003). Durch den (fortgesetzten) Konsum legaler und illegaler Drogen werden Alterungs-, und Krankheitsprozesse beschleunigt (Kruse & Re, 2005) und altersbedingte Krankheiten wie Diabetes und Altersdemenz treten bei Drogenabhängigen früher auf.

In diesem Zusammenhang ist die Integration älterer Drogenabhängiger in „übliche“ Strukturen medizinischer Versorgung als problematisch anzusehen (Rajaratnam et al., 2009) und stellt die Versorgungssysteme, insbesondere die Alten- und Pflegehilfe durch den veränderten Hilfebedarf vor enorme Herausforderungen. Es ergibt sich die Notwendigkeit zielgruppenadäquater Veränderungen/Anpassungen von Konzepten für altgewordene Suchtkranke, vor allem im Bereich der (stationären) Altenhilfe und der Pflege. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts ein umfassendes Konzept für pflegebedürftige Ältere in der stationären Altenpflege mit aktuellem oder früherem Konsum illegaler Drogen entwickelt, das Vorgehensweisen im Umgang mit Substanzkonsum, Strategien und Pflegeinterventionen speziell für diese Zielgruppe in den Pflegealltag integriert.

Methoden: Das Manual wurde auf der Grundlage von externen und internen Evidenzen entwickelt; dabei sind neben der aktuellen Forschungsliteratur aus der Suchthilfe auch neue Ansätze der Suchtvorbeugung und -therapie enthalten und wurden für professionell Pflegende entsprechend aufbereitet. Grundlage für die interne Evidenz bilden zum einen 23 leitfadengestützte Interviews mit ExpertInnen aus der Suchthilfe und aus der Altenpflege und zum anderen zehn KlientInneninterviews, die transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet worden sind (Mayring, 2004).

Ergebnisse: Im Manual werden in neun Modulen spezifische Situationen des Pflegealltags aufgegriffen und der Einsatz gezielter Maßnahmen empfohlen. Zusätzlich wurde ein Schulungskonzept mit Materialien für den Einsatz in der Bildungsarbeit entwickelt, bei 15 Altenpflegekräften an zwei Schulungstagen eingesetzt und im Anschluss daran auch evaluiert. Bei diesen Schulungen zeigten sich insgesamt erste positive Ergebnisse: die TeilnehmerInnen bewerteten die Weiterbildungsinhalte als sehr informativ. Ansatzpunkte für Weiterentwicklungen des Schulungskonzepts liefert die Rückmeldung der zu geringen Möglichkeit für Erfahrungsaustausch zwischen den Altenpflegekräften.

Diskussion: Die disziplinübergreifende Zusammenarbeit am Versorgungsprozess suchterkrankter Menschen kann zu einer Verbesserung der Betreuungspraxis beitragen, indem durch den Austausch von Beteiligten (Altenpflege und Suchthilfe) Handlungswissen, Interventionsstrategien und Konzepte generiert werden. Das Manual und das Schulungskonzept leisten einen wichtigen Beitrag zur Fort- und Weiterbildung der Altenpflege zu Themen der Suchtmedizin und der psychosozialen Betreuung von älteren Drogenabhängigen (Vogt, 2010). Für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität müssen diese Konzepte fortlaufend diskursiv weiterentwickelt werden.