Suchttherapie 2015; 16 - S_26_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557595

Substitution und Kindeswohl

J Koc 1
  • 1Praxis für Psychiatrie und Suchtmedizinische Grundversorgung, Bremen

Einleitung: Im Jahre 2006 wurden die Öffentlichkeit und die Fachwelt in Bremen durch den sog. „Fall Kevin“ aufgeschreckt, nachdem die Leiche eines zweijährigen Kindes von der durch das Familiengericht Bremen beauftragten Polizei im Kühlschrank seines Ziehvaters aufgefunden worden war. Der Leichnam des Kindes wies multiple Knochenbrüche und andere Hinweise auf anhaltende Misshandlungen auf. Das Kind hatte unter Aufsicht des Jugendamtes gestanden und war bereits im Vorfeld mehrfach wegen Verletzungen stationär behandelt worden. Die leibliche Mutter war einige Zeit zuvor unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.

Der Ziehvater befand sich aufgrund seiner Polytoxikomanie in einer Substitutionsbehandlung und erhielt darüber hinaus noch weitere Medikamente ohne medizinische Indikation von seinem behandelnden Arzt. In der Folge wurden Verbesserungen in der Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Drogenberatung und substituierenden ÄrztInnen iniitiert, um solche Ereignisse in Zukunft zu verhindern.

Jedoch fiel in der Folge auf, dass bei etlichen Haaranalysen von den Kindern drogenabhängiger oder substituierter Eltern im Auftrag des Jugendamtes positive Befunde auf diverse Suchtstoffe und Medikamente erhoben wurden. Daraufhin wurden viele dieser Kinder vorläufig fremdplatziert, um Gefahrenabwehr zu betreiben. Zum Teil wurden diese Maßnahmen beibehalten, zum Teil kam es zu Rückführungen der Kinder in ihre Familien.

Methoden: Daraufhin wurde ein „Runder Tisch Substitution und Kindeswohl“ in Bremen eingerichtet, um die bereits erfolgten Maßnahmen zu überprüfen, zu ergänzen und zu verbessern. Insbesondere wurde dabei Augenmerk auf die regelhafte Implementierung und weitere ständige Verbesserung der Kooperation aller beteiligten Institutionen gelegt.

Ergebnisse: Die Zuständigkeiten, Aufgaben und Verpflichtungen dieser Institutionen wurden gemeinsam definiert und festgeschrieben. Im Einzelnen handelte es sich dabei vor allem um die Sozialbehörde und die Jugendämter, die Drogenberatungsstellen, die substituierenden ÄrztInnen, die behandelnden Kinderärzte, die Ärztekammer, die KV und die Krankenkassen.

Insbesondere im Bereich der Substitutionsbehandlungen wurden verbindliche Vorgaben für die behandelnden ÄrztInnen gemacht, wie im Falle von Kindern im Haushalt oder in engem Kontakt mit drogenabhängigen bzw. substituierten Bezugspersonen verfahren werden soll. Dabei spielt nicht nur der regelmäßige Austausch mit Jugendhilfe und Drogenberatung eine wichtige Rolle, sondern auch die tägliche Praxis der Substitutionsbehandlung mit intensivierten Beigebrauchskontrollen, z.B. durch Haaranalysen bei den Kindern und ihren Bezugspersonen, sowie der weitestgehende Verzicht auf Take-Home-Verordnungen, um akzidentelle Inkorporationen der Substitute durch Kinder zu vermeiden.

Diskussion: Im Vortrag sollen die einzelnen Maßnahmen im Einzelnen und speziell im Hinblick auf ihre Bedeutung für die praktische Durchführung der Substitutionsbehandlung dargestellt, begründet und diskutiert werden.