Suchttherapie 2015; 16 - S_27_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557598

Impulsivität als Verstärker von Kontextreizen – Pavlovian-to-Instrumental-Transfer bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit

C Sommer 1, D Schad 2, N Bernhardt 1, M Sebold 2, M Garbusow 2, E Jünger 1, B Jabs 3, T Glöckler 3, U Zimmermann 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie TU Dresden
  • 2Charité- Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie
  • 3Städt. Klinikum Dresden-Neustadt, Klinik für Psychiatrie

Einleitung: Das Verhalten von suchtkranken Menschen scheint stärker von kontextuellen Reizen beeinflusst zu werden als das von Gesunden. Dies kann einen Risikofaktor für die Ausprägung und Aufrechterhaltung von Alkoholstörungen darstellen, beispielsweise als Teil dysfunktionaler Lernvorgänge. Experimentell lässt sich dieser Prozess mittels einer Pavlovian-to-Instrumental-Transfer (PIT) Aufgabe abbilden, welche den Einfluss von konditionierten (Kontext-) Reizen auf instrumentell gelerntes Verhalten misst. Wir untersuchten hier, inwieweit Impulsivität, als eine mit Alkoholstörungen assoziierte Persönlichkeitseigenschaft, die Leistung in einer PIT Aufgabe beeinflusst.

Methoden: Eine Stichprobe von 95 alkoholabhängigen Patienten und 79 Kontrollprobanden bearbeitete eine PIT- Aufgabe, welche aus 4 Teilen bestand:

  • instrumentelles Training (Geldgewinne bei korrektem Einsammeln „guter“ und Liegenlassen „schlechter“ Muscheln bzw. Geldabzug bei falscher Reaktion);

  • Pawlow'sche Konditionierung von positiven und negativen Geldbeträgen mit abstrakten audiovisuellen Reizen;

  • Transfer (instrumentelle Aufgabe = Muscheln sammeln bei gleichzeitiger Darbietung der konditionierten audiovisuellen Reizen im Hintergrund);

  • Query trials (Abfrage der Wertigkeit Pawlow'scher Reize).

Impulsivität wurde mittels einer Delay-Discounting Aufgabe gemessen, in welcher die Probanden sich in jedem Durchgang zwischen einem kleineren sofortigen und einem größeren später ausgezahlten Geldbetrag entscheiden sollten. Die Präferenz für kleinere sofortige Beträge wird als höhere Impulsivität interpretiert, während sich ein hohes Maß an Selbstkontrolle durch die Präferenz für größere später ausgezahlte Beträge wiedergespiegelt.

Ergebnisse: Im instrumentellen Training fiel es hoch- impulsiven Patienten schwerer, zwischen „guten“ und „schlechten“ Muscheln zu unterschieden als hoch- impulsiven Kontrollen, während sich niedrig- impulsive Probanden beider Gruppen nicht unterschieden. Wurden die Muscheln zusammen mit konditionierten Reizen im Hintergrund präsentiert (Transfer), beeinflussten die Hintergründe das Verhalten hoch- impulsiver Patienten und Kontrollen stärker als das niedrig- impulsiver. Insbesondere galt dies für hoch- impulsive Patienten, wenn eine „schlechte“ Muschel zusammen mit einem positiven Geldbetrag präsentiert wurde.

Diskussion: Während der Bearbeitung einer PIT Aufgabe zeigte sich ein Einfluss von Impulsivität sowohl auf instrumentelles Lernen als auch auf das Ausmaß der Beeinflussung von konditionierten Reizen auf instrumentell gelerntes Verhalten. Dieser Einfluss war bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit stärker ausgeprägt als bei Kontrollprobanden. Dies deutet darauf hin, dass impulsives Verhalten dysfunktionale Lernmechanismen begünstigt, welche wiederum ihrerseits mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Alkoholstörungen assoziiert sind.