Suchttherapie 2015; 16 - S_35_05
DOI: 10.1055/s-0035-1557635

Ist Naltrexon eine Alternative zu Disulfiram? Die intensivierte ambulante Behandlung Alkoholabhängiger

M Luderer 1, A Koopmann 1, S Hoffmann 1, D Hermann 1, F Kiefer 1
  • 1Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, ZI Mannheim

Einleitung: Die Einnahme von Disulfiram im Rahmen von häufigen psychotherapeutischen Kurzkontakten (2 – 3x/Woche) hat einen wichtigen Stellenwert in der ambulanten Behandlung Alkoholabhängiger. Eine Medikation mit Disulfiram ohne diese intensivierte Behandlung ist jedoch wirkungslos. Es stellt sich daher die Frage, ob eine intensivierte ambulante Behandlung auch ohne die Einnahme von Disulfiram möglich ist und falls ja, für welche Patientengruppe diese Therapieoption geeignet sein könnte.

Methoden: Alkoholabhängige Patienten konnten sich nach einem abgeschlossenen (teil-)stationären qualifizierten Entzug für die neue intensivierte Behandlung (IB, 3x/Woche Kurzkontakte) oder die reguläre Behandlung (RB, 1 Kontakt alle 2 Wochen) entscheiden. Eine medikamentöse Rückfallprophylaxe war nach Wunsch der Patienten möglich. Für eine post-hoc Auswertung wurden Patienten ohne Rückfallprophylaxe (IB-/RB-) sowie mit Naltrexon (NTX; IB+/RB+) ausgewählt.

Bei Studieneinschluss wurden Konsummuster, soziodemographische Daten, Vorbehandlungen, Craving (Obsessive-Compulsive Drinking Scale, OCDS) und Schwere der Abhängigkeit (Alcohol Dependence Scale, ADS) erhoben. Anschließend wurde über 3 Monate das Konsummuster (Abstinenz, Trinktage, Trinkmenge pro Trinktag) erfasst. Fehlende Follow-Up-Daten wurden bestmöglich anhand der Krankenakten ergänzt.

Ergebnisse: 77 Patienten wurden in diese Auswertung mit eingeschlossen. Beide Therapieangebote wurden gut angenommen. 42 Patienten wählten RB, 35 wählten IB. 54,8% (N = 23) von RB nahmen NTX ein, bei IB 71,4% (N = 25). Patienten in IB waren signifikant häufiger Frauen (40% vs. 16,7%), seltener verheiratet (25,7% vs. 47,6%), hatten häufiger Entwöhnungsbehandlungen absolviert (65,7% vs. 38,1%) und eine schwerere Abhängigkeit in der ADS (20,26 vs. 14,95).

Trinktage und Trinkmenge pro Trinktag nahmen bei IB+, RB+ und RB- jeweils signifikant ab, ohne Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Bei IB- zeigte sich keine signifikante Reduktion.

Diskussion: IB wählten v.a. Frauen mit schwerer Abhängigkeit und geringerer sozialer Unterstützung. Trotz schlechterer Voraussetzungen profitierte IB ähnlich gut wie RB in Hinblick auf eine Reduktion des Alkoholkonsums. In der Subgruppen-Analyse waren IB+, RB+, RB- effektiv. IB- zeigte keine signifikante Reduktion, möglicherweise auch aufgrund der geringen Fallzahl. Der neue Therapieansatz IB ergänzt die bisherigen Behandlungsmöglichkeiten und scheint insbesondere in Kombination mit NTX hilfreich zu sein für schwerer Alkoholabhängige, für die eine Behandlung mit Disulfiram nicht in Frage kommt.