Suchttherapie 2015; 16 - S_44_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557668

Risikofaktoren des Substanzkonsums im frühen Jugendalter

S Tomczyk 1, B Isensee 1, R Hanewinkel 1
  • 1Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord, Kiel

Einleitung: Früher Substanzkonsum kann viele negative Auswirkungen haben, von sozialen und schulischen Problemen über affektive Störungen bis hin zu langfristigen hirnorganischen Veränderungen und Abhängigkeit. Außerdem steigt das Risiko für Unfälle, Verletzungen oder gesundheitlich bedenkliches Verhalten stark an. Erwerb und öffentlicher Konsum von Alkohol sind in Deutschland ab 16 Jahren, von Tabak ab 18 Jahren legal. Viele Kinder und Jugendliche beginnen jedoch deutlich früher mit dem Konsum – was veranlasst sie dazu?

Methoden: Um Risikofaktoren für frühjugendlichen Alkohol- und Tabakkonsum zu ermitteln, wurden 3.444 Schülerinnen und Schüler in der Klassenstufe 5 und im Abstand von 36 Monaten (dann Klassenstufe 8) zu ihrem Konsum und potentiellen Einflussvariablen befragt. Mittels hierarchisch logistischer Mehrebenenregressionen sowie multipler linearer Regressionen wurden Prädiktoren des Rauch- und Trinkverhaltens im Längsschnitt ermittelt, soziodemografische Angaben gingen als Kontrollvariablen in die Modelle mit ein.

Ergebnisse: Im Längsschnitt steigt die Lebenszeitprävalenz für das Rauchen von 6% auf 27% und für Alkohol von 35% auf 72% signifikant an. Alter, Geschlecht, Persönlichkeitsmerkmale sowie der Konsum der Eltern und der Peers sagen einen Beginn des Rauchens und des Alkoholkonsums im frühen Jugendalter vorher. Strenge Regeln im Elternhaus verzögern den Einstieg. Die Menge und Häufigkeit des Alkoholkonsums wird vor allem durch die Empfänglichkeit für Peer-Einflüsse vorhergesagt, während der Peer-Konsum selbst eine untergeordnete Rolle spielt. Rauchen die Eltern, so rauchen die Kinder seltener und weniger.

Diskussion: Vor allem soziodemografische, aber auch soziale Variablen konnten als Risikofaktoren des Substanzkonsums im frühen Jugendalter identifiziert werden. Der für Häufigkeit und Menge des Tabakkonsums beobachtete, kontraintuitive, negative Zusammenhang mit dem Konsum der Eltern könnte entweder Protestverhalten der Kinder gegen elterlichen Konsum repräsentieren oder ein weniger selbstgesteuertes Rauchverhalten ausdrücken, da die Kinder z.B. durch Passivrauchen im Elternhaus bereits Nikotin konsumieren, ohne selbst aktiv zu rauchen.

Eltern stellen durch Regelverhalten und eigenen Konsum einen großen Einfluss auf den Substanzkonsum ihrer Kinder dar, dies sollte in der pädagogischen und präventiven Praxis berücksichtigt werden. Um zukünftig riskanten Konsum zu vermeiden, sind außerdem Refusal Skills gegenüber Peer-Einflüssen gezielt zu stärken.

Förderhinweis: Deutsche Krebshilfe e.V. (Förderzeichen: 108374 und 110493)