Sportausübung 2 Jahre nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands bei Sportlern, die 1 Jahr lang nicht zum Sport zurückgekehrt waren: Prospektives Follow-up der Körperfunktion und psychologische Faktoren bei 122 Sportlern

Zusammenfassung

Fragestellung

Wie ist die postoperative „Return-to-Sports“-Rate bei Sportlerinnen nach Ruptur des vorderen Kreuzbands (VKB) 2 Jahre postoperativ, wenn sie nach 1 Jahr noch nicht wieder ihr präoperatives Level erreicht haben und welche demografischen, funktionellen und psychologischen Faktoren spielen hierbei eine Rolle?

Physiotherapeutischer Hintergrund

Die VKB-Ruptur gehört zu den häufigsten Sportverletzungen und hat trotz Operation und intensiver Nachbehandlung oft eine schlechte Prognose bezüglich Wiedererlangen des ursprünglichen Sportniveaus und späteren Langzeitfolgen. Inzwischen wurden viele Scores und Empfehlungen veröffentlicht, die zumeist eine Rückkehr zum Sport nach 6–12 Monaten befürworten [2]. Insbesondere unter den Amateursportlern erreicht jedoch nach einer Verletzung lediglich 1 Drittel innerhalb 1 Jahres wieder das ursprüngliche Niveau [1].

Studiendesign

Prospektive Kohortenstudie, 1- und 2-Jahres-Follow-up.

Ein- und Ausschlusskriterien

Eingeschlossen wurden am Kreuzband operierte Amateursportler, die nach 1 Jahr noch nicht zum Sport zurückgekehrt waren und vor der Verletzung mindestens 2 Trainingseinheiten wöchentlich absolvierten. Kader- und Profisportler waren ausgeschlossen.

Methode

Von insgesamt zwischen April 2010 und April 2011 in der Klinik operierten 187 Patienten mit VKB-Ruptur wurden 122 (76 Männer, 46 Frauen, Altersdurchschnitt: 28,3 Jahre) in die Studie eingeschlossen. Diese wurden jeweils 1 und 2 Jahre postoperativ über ihre Sportaktivitäten befragt und funktionell getestet. Alle Probanden waren innerhalb von 3 Monaten nach der Verletzung operiert worden und hatten vom 1. postoperativen Tag an Vollbelastung und keine Orthesenversorgung. Rund die Hälfte wies Begleitverletzungen am Meniskus auf, die größtenteils operativ mitversorgt worden waren. Ein unabhängiger Physiotherapeut prüfte zudem 1 Jahr postoperativ die Funktion anhand von Sprungtests und der International Knee Documentation Commitee Knee Examination Form sowie die subjektive Kniefunktion.

Interventionen

Messparameter waren die Rückkehr zum Sport, Alter, Geschlecht und Unfallmechanismus. Bezüglich der Kniefunktion wurden ein klinisches Assessment (gemäß International Knee Documentation Committee, IKDC) und verschiedene Sprungtests durchgeführt. Zur Evaluierung der psychologischen Faktoren dienten verschiedene Fragebögen (Anterior Cruciate Ligament Return to Sport Index – ACL-RSI; The Tampa Scale for Kinesiophobia – TSK; The Sports Rehabilitation Locus of Control – SRLC; The Emotional Response of Athletes to Injury Questionnaire – ERAIQ).

Ergebnisse

Insgesamt waren 91 % der Probanden nach 2 Jahren wieder sportlich aktiv und 66 % spielten 2 Jahre postoperativ wieder wettkampfmäßig, 41 % auf ihrem alten Level und 25 % auf einem niedrigeren Level. 16 Teilnehmer hatten die Sportart gewechselt.

Ein schlechteres Outcome bei den Sprungtests und der subjektiven Einschätzung sowie bereits vorhergegangene Kreuzbandrekonstruktionen und Ängste bzw. Unsicherheiten in den psychologischen Scores standen in engem Zusammenhang mit dem nicht wiedererlangten ursprünglichen Spielniveaus auch nach 2 Jahren.

Im Verlauf der 2 Jahre erlitten 6 % der Probanden eine erneute Kreuzbandverletzung.

Schlussfolgerungen

Die meisten Sportler, die nach 1 Jahr noch nicht wieder sportlich aktiv sind, kehren nach 2 Jahren wieder zum Sport zurück. Aus diesem Grund ist zu vermuten, dass die gängige Empfehlung von 1 Jahr Sportpause im Amateursport wohl zu früh ist. Allerdings hatten auch nach 2 Jahren nur 41 % wieder ihr ursprüngliches Niveau erreicht. Zusammen mit der Anzahl Sportler, die bereits nach 1 Jahr wieder zu ihrem Sport zurückkehrten, lag die Gesamtrate derer, die ihr ursprüngliches Niveau nach insgesamt 2 Jahren wieder erreichten gerade mal bei 60 %. Zu den Risikofaktoren für eine Nichtrückkehr auf das ursprüngliche Niveau zählen insbesondere die mangelhafte Kniefunktion und Bewegungsängste.

• Literatur

• 1 Ardern CL, Webster KE, Taylor NF et al. Return to the preinjury level of competitive sport after anterior cruciate ligament reconstruction surgery: two-thirds of patients have not returned by 12 months after surgery. AM J Sports Med 2011; 39: 538-543
• 2 Myklebust G, Bahr R. Return to play guidelines after anterior cruciate ligament surgery. Br J Sports Med 2005; 39: 127-131