Psychother Psychosom Med Psychol 2016; 66(02): 57-66
DOI: 10.1055/s-0035-1565079
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gratifikationskrisen in der Haus- und Familienarbeit – Teststatistische Prüfung des Fragebogens an Vätern mit minderjährigen Kindern

Effort-Reward Imbalance in Household and Family Work – Analysing the Psychometric Properties among Fathers of Underage Children
Stefanie Sperlich
1   Mediznische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Felix Barre
1   Mediznische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Friederike Otto
1   Mediznische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover
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Publikationsverlauf

eingereicht 11. Juni 2015

akzeptiert 19. September 2015

Publikationsdatum:
09. Februar 2016 (online)

Zusammenfassung

In jüngerer Zeit wurde das Gratifikationskrisenmodell von Siegrist (ERI) auf die Haus- und Familienarbeit übertragen. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Ungleichgewicht zwischen hoher Verausgabung und geringer Anerkennung in der Haus- und Familienarbeit analog zur Erwerbsarbeit mit erhöhten Gesundheitsrisiken assoziiert ist. Bislang ist der Fragebogen ERI-HF jedoch nur bei Frauen in Erziehungsverantwortung zur Anwendung gekommen. Der vorliegende Beitrag untersucht die teststatistische Güte des Fragebogens für Väter mit minderjährigen Kindern. Die teststatistische Prüfung erfolgte anhand einer klinischen Stichprobe von Vätern, die 2014 eine Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme für Mütter/Väter und Kinder in Anspruch genommen haben (N=415). Analog zur Originalversion umfasst ERI-HF 2 Modellkomponenten: zum einen die spezifischen Arbeitsplatzbedingungen in Form von Verausgabung und Belohnung (Effort-Reward Imbalance), zum anderen die intrapsychische Dimension der Verausgabungsneigung (Overcommitment). Die konfirmatorische Faktorenanalyse zeugt von einer guten Anpassung der Daten an das theoretische Modell und auch der Kurzfragebogen zum Overcommitment wies eine zufriedenstellende Testgüte auf. In der vorliegenden Stichprobe wiesen 13,4% der Väter eine Gratifikationskrise in der Haus- und Familienarbeit auf, wobei starke Belastungen aufgrund hoher ‚Verausgabung‘ im Vergleich zu Belastungen aufgrund geringer ‚Belohnung‘ deutlich häufiger zutrafen. Eine hohe Verausgabungsneigung im persönlichen Umgang mit der Haus- und Familienarbeit gaben auf Itemebene zwischen 24,3 und 59,6% der Väter an. Analysen zur Konstruktvalidität ergaben signifikante Zusammenhänge zwischen den ERI-Skalen und soziodemografischen Faktoren (Anzahl Kinder, Erwerbsstatus, Alleinerziehen-Status, Beruf-Familie-Konflikt) sowie der subjektiven Gesundheit. Insgesamt sprechen die Befunde für einen erweiterten Einsatz des Fragebogens auch für Väter in Erziehungsverantwortung.

Abstract

Recently, the concept of effort-reward imbalance (ERI) developed by Siegrist had been applied to unpaid household and family work (ERI-HF). Evidence suggests that the imbalance between effort spent and reward received in family and domestic labor is associated with poor mental and physical health. However, so far, the adopted questionnaire ERI-HF was exclusively used among women in childcare responsibility. This paper reports on the application of the model to men in childcare responsibility using data from a clinical sample of fathers in rehabilitation clinics (N=415). Analogous to the original version, ERI-HF is divided into 2 components: (i) dysbalance of effort and reward, and (ii) overcommitment. For both components, confirmatory factor analyses revealed good to satisfactory properties. Overall, 13.4% of men in childcare responsibility showed a dysbalance between high effort and low reward of household and family work. High levels of effort were more frequently reported than high levels of low reward. With percentages ranging between 24.3 and 59.6%, a significant proportion of fathers reported difficulties to withdraw from household and family work obligations. Analyses of construct validity revealed significant associations between ERI and socio-demographic factors (number of children, employment status, single fatherhood, work-family-conflict) as well as subjective health. Taken together, our findings suggest that the instrument is applicable to men in childcare responsibility.