Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P4
DOI: 10.1055/s-0036-1571383

Wahrnehmung des Babygeruchs in funktionalen und dysfunktionalen Mutter-Kind-Dyaden

T Mohr 1, J Junge-Hoffmeister 1, A Bittner 1, K Weidner 1, T Hummel 1, I Croy 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, Dresden

Einleitung: Zwischenmenschliche Kommunikation wird bedeutend geprägt durch die unterbewusste Wahrnehmung von Körpergerüchen. Besonders Babygerüche werden häufig als intensives und emotionales Sinneserlebnis beschrieben. Bislang konnte gezeigt werden, dass der Geruchssinn bei vielen psychotherapeutischen und psychosomatischen Krankheitsbildern, wie z.B. Depressionen, verändert ist. Inwieweit sich der Geruchssinn bei Mutter-Kind-Bindungsstörungen unterscheidet, bleibt bislang weitgehend ungeklärt.

Methoden: In der Studie wurden 19 Patientinnen mit dysfunktionalen Mutter-Kind-Bindungen 50 altersgematchten gesunden Müttern mit Kindern im 1. Lebensjahr gegenübergestellt. Alle Mütter bewerteten verblindet den Körpergeruch des eigenen Babys und zweier fremder Babys hinsichtlich Intensität, Angenehmheit und „Wanting“. Die Körpergerüche wurden dazu in Bodys durch nächtliches Tragen konserviert. Zusätzlich erhielten alle Mütter eine Testung des allgemeinen Riechvermögens. Postpartale Depression und Mutter-Kind-Bindung wurden mittels Fragebögen erhoben.

Ergebnisse: Gesunde Mütter nahmen den Geruch des eigenen Babys deutlich angenehmer wahr als den fremder Babys und haben ein größeres Verlangen, diesen noch einmal zu riechen („wanting“). Die Patientinnen hingegen unterschieden in Angenehmheit und „wanting“ nicht zwischen den Körpergerüchen der eigenen und fremden Babys. Der Grad der Bevorzugung des eigenen Babygeruches korrelierte mit der Bindungsqualität zum Kind (r = 0,33, p = 0,02). In 72% der Fälle gelang den gesunden Müttern die Identifikation des eigenen Babys anhand des Geruches, die Patientinnen erreichten nur eine Quote von 42%. Bei der Beurteilung des allgemeinen Riechvermögens erzielten beide Gruppen normwertige Ergebnisse.

Diskussion: Den genannten Ergebnissen zufolge erleben die Patientinnen den Babygeruch und damit dieses emotionale Sinneserlebnis nicht auf vergleichbare Weise. Es lässt sich mutmaßen, dass dies negative Konsequenzen für die Bindung hat.