Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11(01): 34
DOI: 10.1055/s-0036-1580105
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung – Depressive Störungen bei Diabetes mellitus: Prävalenzen, Risikofaktoren und negative Auswirkungen

Further Information

Publication History

Publication Date:
02 March 2016 (online)

Zoom Image

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine in Buchform gefasste wissenschaftliche Abhandlung im Rahmen einer Dissertation im Bereich der Psychologie an der Universität Bamberg. In seiner Arbeit geht der Autor Andreas Schmitt auf ein äußerst relevantes Thema ein, das in Klinik, Forschung und Lehre in Deutschland über Jahre hinweg eklatant unterschätzt wurde. Die zunehmende Spezialisierung und Trennung der verschiedenen medizinischen Fächer führt bei allen positiven Auswirkungen auf die qualitativ hochwertige Versorgung bei einzelnen Krankheitsbildern leider auch dazu, dass die Komorbiditäten auf einem anderen Fachgebiet häufig übersehen, nicht beachtet oder als „normal“ betrachtet werden.

Dabei ist bekannt, dass die Prävalenz der Depression bei Diabetes-Patienten ca. doppelt so hoch ist wie in der Normalbevölkerung. Diese Zahlen können in der vorliegenden Arbeit anhand eines großen Kollektivs mit mehr als 1000 Patienten bestätig werden, die Komorbidität der Depression bei Typ-2-Diabetes ist laut dieser Untersuchung mit knapp 15 % sogar fast dreimal häufiger. Insbesondere ist anzumerken, dass der Autor in seiner Arbeit nicht nur auf das Vollbild der depressiven Erkrankung, sondern auch auf die subklinischen Symptome der Depressionen eingeht und diese in deren Prävalenz und der Auswirkung auf die Lebensqualität und die Symptomatik des Diabetes mellitus untersucht. Dabei stellt er enorm hohe Werte von ca. 20 % fest. Es werden auch die spezifischen Risikofaktoren für das Vorliegen einer depressiven Stimmungslage herausgearbeitet. Neben den zu erwarteten psychologisch ableitbaren Faktoren wie der schlechten Akzeptanz der Erkrankung, der Angst vor Progredienz und der hohen Belastung durch Diabetes, werden auch die Faktoren des körperlichen Zustandes wie z. B. die Nephropathie herausgehoben. Im prospektiven Teil der Untersuchung konnte Andreas Schmitt sogar zeigen, dass die Nephropathie und die Progredienzangst einer Besserung entgegenstanden und die Reduktion der diabetesbezogenen Belastung und der Progredienzangst im Zeitverlauf eine Besserung begünstigten. Umgekehrt zeigte die depressive Stimmungslage eine Assoziation mit einer schlechteren Diabetes-Selbstbehandlung, einer schlechteren glykämischen Kontrolle und einer schlechteren Lebensqualität in verschiedenen untersuchten Bereichen. In den prospektiven Untersuchungen zeigte sich dementsprechend eine signifikante Verbesserung der Selbstbehandlung, der glykämischen Kontrolle und der Lebensqualität bei Besserung der Depressivität.

Somit geht dieses, durchaus empfehlenswerte Buch, nicht nur auf reine Komorbidität der beiden Erkrankungen Diabetes und Depression ein, sondern untersucht und bestätigt die pathogenetisch reziproke Wechselwirkung der beiden Krankheitsbilder aufeinander.

Das Buch ist sicherlich für die Diabetologen und dem an der Schulung der Patienten mit Diabetes mellitus beteiligten Personal zu empfehlen. Gleichermaßen ist es auch an alle an der Behandlung der depressiven Störung beteiligten Ärzte und Psychotherapeuten gerichtet. Es ist für unsere Patienten von großem Vorteil, wenn beide Berufszweige voneinander lernen, einander unterstützen und die wechselseitigen Mechanismen der Depressivität und des Diabetes mellitus zu beachten und zu behandeln wissen.

Dr. Evgeniy Perlov Perlov, Prof. Dr. Matthias Berger, Freiburg