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DOI: 10.1055/s-0036-1584426
Phytopharmaka und Naturstoffe: Forschung, Entwicklung, neue Produkte?
Extrakte aus Pflanzen bieten ein bedeutendes Potenzial im Bereich der rationalen Phytopharmazie und eröffnen zusätzlich auch ein nahezu unerschöpfliches Reservoir zur Gewinnung unterschiedlichster Naturstoffe und deren Entwicklung hin zu neuen pharmakologisch spannenden Leitstrukturen. Ungeachtet dieses Potenzials zeigte sich in den letzten beiden Dekaden eine deutliche Stagnation der phytopharmazeutischen F&E, bedingt durch stringente regulatorische Anforderungen im Arzneimittelsektor und dem immer stärker werdenden Spannungsfeld zwischen rationaler Medizin und nicht belegten gesundheitsbezogenen Aussagen im Nahrungsmittelbereich. Nichtsdestotrotz wird häufig nur wenig beachtet, dass durchaus bedeutende pharmazeutische Entwicklungen im Naturstoff- und Herbal Medicine Bereich stattfinden, wie z.B. ein durch die FDA zugelassener Procyanidin-angereicherter Extrakt aus Croton lechleri zur Behandlung der HIV/AIDS-assoziierten Diarrhoe, Grünteeextrakt zur Behandlung von Genitalwarzen, Galantamin bei Morbus Alzheimer, Artemisinin bei Malaria u.v.a.
Abseits von solchen Meilensteinen kann in vielen Fällen auch die detaillierte Untersuchung traditionell verwendeter Arzneipflanzen massive Wissenserweiterung bringen, die dann wiederum auch für bessere Positionierung solcher Produkte im Markt genutzt werden kann. So legten gezielte Untersuchungen von Drogen, die traditionell bei Blasen-Nieren-Infektionen eingesetzt werden, nahe, dass bestimmte Extrakte die Zell-Zell-Interaktion zwischen Bakterium und Wirtszelle und damit auch die Infektion verhindern. Andere Extrakte bewirken Inhibierung bestimmter Enzyme der extrazellulären Matrix der Niere, was wiederum diuretische Effekte nach sich zieht.
Weitere aktuelle Forschungsbeispiele belegen z.B. auch hochspezifische Effekte bestimmter pflanzlicher Polysaccharide und Polyphenole im Bereich der optimierten Wundheilung, die im Sinne eines physiological engineering in der Lage sind, das intrazelluläre signaling in Hautzellen zwischen Proliferation und Differenzierung hin- und herzuschalten und damit die Barrierebildung induzieren können. Aus solchen Untersuchungen leiten sich innovative Wirkmechanismen ab, die in der Medizin gezielt kommuniziert werden können, um auch Skeptikern pflanzlicher Produkte zu zeigen, dass die zugrunde liegenden Effekte pflanzlicher Extrakte und Naturstoffe durchaus spezifisch und pharmakodynamisch äußerst spannend sein können.
Innovation benötigt Forschung, auch bei modernen Phytopharmaka. Moderne Phytopharmaka benötigen aber auch Investitionen in die Zukunft. Alternative Finanzierungskonzepte für Arzneimittelinnovation sollten auch im Bereich der Phytopharmakabranche angedacht werden.