Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(02): 192-200
DOI: 10.1055/s-0036-1597722
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tonisch-klonischer Krampfanfall mit Folge eines Kompartementsyndrom der anterioren Tibialoge bei einer gesunden Erstgebärenden subpartu aufgrund einer Hyponatriämie durch übermäßige Flüssigkeitszufuhr

R Broermann
1   Vivantes Klinikum Am Urban, Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
,
A Schwickert
1   Vivantes Klinikum Am Urban, Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
,
M Bustamante
1   Vivantes Klinikum Am Urban, Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
,
G Nohe
1   Vivantes Klinikum Am Urban, Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 March 2017 (online)

 

Anamnese:

Übernahme der 28-jährigen IG/0P in der 41+1. SSW in die Klinik nach einer abgebrochenen Geburtshausentbindung bei Geburtsstillstand und Muttermundweite von 3 cm. 90 min nach der Aufnahme kam es zu einem generalisierten Grand-mal-Anfall. Der bisherige Schwangerschaftsverlauf verlief ohne Auffälligkeiten, keine Grunderkrankung und eine unauffällige Familienanamnese. Anamnestisch berichtete der Partner der Patientin über übermassige Trinkmenge in den letzten Tagen vor Geburt von 10 l/d. Zudem berichtete er über Müdigkeit und Abgeschlagenheit, die die Patientin in den letzten Tagen angab.

Verlauf:

Der Krampfanfall war selbstlimitierend. Es wurde der Entschluss zur Entbindung per Notsectio gefasst. Es konnte ein leicht deprimiertes weibliches Neugeborenes mit APGAR 5/9/10 entwickelt werden. Die Patientin zeigte nach der Narkose eine psychomotorische Unruhe mit Vigilanzverminderung und soporösen Phasen. Keinen Meningismus, eine intakte seitengleiche Spontan- und Pupillomotorik.

Diagnostik:

Im Aufnahmelabor Hyponatriämie von 115 mmol/l; bei unauffälligen Thrombozyten, Hb-Werten, GPT u. Bilirubin fand sich eine leicht erhöhte GOT. Im Verlauf zeigten sich stark erhöhte CK-Werte. Initiale EEG-Veränderungen, mit einer hyponatriämischen Enzephalopathie vereinbar, waren im weiteren Verlauf schnell rückläufig. Im CCT kein Hinweis auf eine Blutung oder ein Hirnödem.

Therapie und weiterer Verlauf:

Postoperativ wurde die Patientin auf die Intensivstation aufgenommen und ein langsamer Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes durchgeführt. Nach Normalisierung der Elektrolyte kam es zu einer deutlichen Besserung der klinischen Befunde. Die Patientin zeigte sich voll orientiert und bot keine neurologischen Auffälligkeiten. Im weiteren Verlauf bereits auf Normalstation beklagte die Patientin ein Spannungsgefühl im linken Unterschenkel. Eine Thrombose wurde ausgeschlossen und die Verdachtsdiagnose eines schweren Kompartementsyndroms der anterioren Tibialoge mit Beteiligung der peronealen Muskulatur intraoperativ bestätigt. Die Patientin konnte nach 4 operativen Sanierungen und Sekundärnaht am linken Unterschenkel am 15. Tag nach dem Primärereigniss nach Hause entlassen werden.

Prognose:

Als Langzeitfolge resultiert eine Fußheberschwäche links 1/5 nach Janda, mit prognostisch persistierender Geh- und Funktionsbehinderung.

Fazit:

Übermäßige Flüssigkeitszufuhr kann auch bei gesunden Patientin sub partu zu Elektrolytentgleisung führen, die gravierende neurologische und muskuläre Komplikationen mit bleibenden Schäden zur Folge haben können.