Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601503
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Risikostratifizierung von FIGO II B Zervixkarzinomen mittels ontogenetischem Tumorstaging

B Wolf
1   Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie
,
LC Horn
2   Institut für Pathologie, Universität Leipzig
,
M Höckel
1   Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie
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Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Fragestellung:

Das FIGO II B Stadium des Zervixkarzinoms wird durch Tumorbefall der sogenannten Parametrien definiert. Hierbei handelt es sich um eine anatomisch unscharf definierte Struktur, welche sich aus mehreren Gewebskomponenten unterschiedlichen ontogenetischen Ursprungs zusammensetzt. In Abhängigkeit davon, welche dieser Gewebskomponenten tumorbefallen sind, lassen sich spezifische ontogenetische Tumorstadien (oT) ableiten. Da sowohl die FIGO Stadien als auch das klassische pathologische Tumorstaging (pT) diese ontogenetischen Aspekte nicht berücksichtigen, nahmen wir an, dass das oT-Staging eine bessere Risikostratifizierung der Patientinnen mit einem FIGO II B Zervixkarzinom erlaubt.

Methodik:

Mittels Datenbankrecherche wurden alle Patientinnen ermittelt, bei welchen im Rahmen der TMMR/EMMR/LEER Studien an der Universitätsfrauenklinik Leipzig ein Zervixkarzinom im Stadium FIGO II B operativ behandelt wurde. Mittels Kaplan-Meier Kurven und Cox-Regressionsanalysen wurde eine Stratifizierung aller Fälle nach pT- und oT-Stadium vorgenommen.

Ergebnisse:

143 Patientinnen wurden zwischen 12/1999 und 12/2015 mit einen Zervixkarzinom im Stadium FIGO II B operativ behandelt. Bei 100 (69,9%) dieser Patientinnen wurde eine parametrane Tumorinfiltration histopathologisch bestätigt und damit ein pT2b Stadium ermittelt. Die übrigen 43 Fälle (30,1%) wurden niedriger eingestuft (pT1b und pT2a). Das 5-Jahres-Gesamtüberleben aller Patientinnen lag bei 83% (95% KI 76,2% – 90,4%). Eine Stratifizierung nach pT-Stadium (pT1b und pT2a vs. pT2b) ergab hierbei eine Differenzierung der FIGO II B Fälle in zwei Untergruppen mit nicht signifikantem Unterschied im 5-Jahres-Gesamtüberleben (91,7% [95% KI 83,1% – 100%] für Patientinnen mit pT1b und pT2a Tumoren vs. 79,1% [95% KI 70,4% – 89,0%] für Patientinnen mit pT2b Tumoren, p = 0,1092). Die Stratifizierung der FIGO II B Fälle nach ontogenetischem Tumorstadium (oT1 und oT2 vs. oT3a/b und oT4) ergab zwei Untergruppen mit signifikantem Unterschied im 5-Jahres-Gesamtüberleben (92,4% [ 95% KI 86,7 – 98,4] für oT1 und oT2 vs. 62,0% [95% KI 47,0 – 81,8] für oT3a und oT3b, p = 0,0003). Die Stratifizierung der pT2b-Fälle nach oT-Stadium ergab ebenfalls zwei Untergruppen mit signifikantem Überlebensunterschied nach 5 Jahren (93,4% [95% KI 86,5 – 100] für oT2 vs. 59% [95% KI 43,4 – 80,3] für oT3 und oT4 [p = 0,003]).

Schlussfolgerung:

Zervixkarzinome im FIGO Stadium II B stellen ein heterogenes Tumorkollektiv dar. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es sich beim sogenannten Parametrium um einen anatomisch und embryologisch unscharfen Begriff handelt, der verschiedene, klar definierbare Gewebe mit unterschiedlichem Risiko für Tumorinfiltration umfasst. Das ontogenetische Tumorstaging erlaubt anhand dieser Strukturen eine eindeutige Stratifizierung der Patientinnen mit FIGO II B Tumoren in Kollektive mit hohem und niedrigem Rezidivrisiko.