Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(04): 406-429
DOI: 10.1055/s-0037-1601523
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SIADH in der Frühschwangerschaft: eine seltene, möglicherweise unterdiagnostizierte und lebensbedrohliche Komplikation?

K Böhme
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinikum St. Georg Leipzig
,
R Wendt
2   Klinik für Infektiologie/Tropenmedizin, Nephrologie und Rheumatologie Klinikum St. Georg Leipzig
,
U Köhler
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinikum St. Georg Leipzig
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 April 2017 (online)

 

Einleitung:

Das SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) stellt eine Störung der Osmoregulation dar, die durch inadäquat hohe Sekretion von ADH (antidiuretisches Hormon) mit konsekutiver Retention von freiem Wasser eine Hyponatriämie bedingt und für ca. 30% der Hyponatriämien in der erwachsenen Gesamtpopulation verantwortlich ist. Es liegen bisher nur wenige publizierte Fälle eines SIADH in der Schwangerschaft vor. In der Schwangerschaft kommt es typischerweise zu einem milden Rückgang der Serumosmolalität mit dem Tiefpunkt in der 8.-10. SSW ohne weitere signifikante Änderungen bis zum Ende der Schwangerschaft. Die Mortalität von schwangeren Patientinnen mit akut progredienter Hyponatriämie von < 120 mmol/l und eintretenden Krampfanfällen ist mit bis zu 50% in der Literatur dokumentiert.

Fallbericht:

Wir berichten über eine 28-jährige I. Grav./I. Para in der 9. SSW, die über Übelkeit und Erbrechen seit ein paar Tagen klagt. Zum Aufnahmezeitpunkt zeigte sich eine deutlich im Allgemeinzustand reduzierte Patientin. Unter der Diagnose Hyperemesis gravidarum wurde mit einer entsprechenden Therapie (NaCl-Infusionen, 5%-Glucoselösung und Vomex i.v.) begonnen. Paraklinisch zeigte sich im Verlauf eine Hyponatriämie mit 120 mmol/l (Ref. 135 – 145). Bei progredientem Natriumabfall bis auf 117 mmol/l trotz Volumenexpansion mit salzhaltigen Infusionslösungen und einem Urin-Natrium von 157 mmol/l sowie einer Urin-Osmolalität von über 500mosmol/l wurde die Diagnose eines SIADH gestellt. Unter der Substitution hyperosmolaler Natriumlösung unter engmaschigen Kontrollen des Serumnatriums (cave: pontine Myelinolyse) sowie Flüssigkeitsrestriktion und Eiweißsubstitution kam es zu dem gewünschten Anstieg des Serumnatriums. Das Erbrechen sistierte. Das Serumnatrium persistierte um 133 mmol/l ohne spezifische Therapie im weiteren Verlauf.

Schlussfolgerung:

Das Vorliegen eines SIADH in der Schwangerschaft stellt eine seltene ernstzunehmende Erkrankung dar. Insbesondere bei persistierender Hyperemesis gravidarum sollte das Serumnatrium bestimmt werden. Die einzige zugelassene medikamentöse Therapie für ein SIADH (Tolvaptan) ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Bisher existieren keine Leitlinien für das Management eines SIADH in der Schwangerschaft. Eine nephrologische Mitbetreuung ist sinnvoll. Neben dem Ausgleich einer Volumendepletion und aggressiver Antiemese ist bei ausgeprägter Symptomatik die Gabe hyperosmolarer Salzlösung notwendig. Eine Therapie mit Urea (Harnstoffpulver) könnte eine geeignete effektive, aber nicht als Arzneimittel zugelassene Alternative darstellen.