Pneumologie 2017; 71(06): 412-416
DOI: 10.1055/s-0037-1602726
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das humane Lungenmikrobiom

Authors

  • D Bruder

    1   Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg & Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig
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Publication Date:
26 June 2017 (online)

 

„Die Lunge ist steril“. So lautete ein Dogma, welches über Jahrzehnte gelehrt wurde, sich jedoch basierend auf den Erkenntnissen kultivierungsunabhängiger Mikrobiomforschung als falsch erwiesen hat. Genau wie alle anderen Körperoberflächen des Menschen mikrobiell besiedelt sind, verfügt auch die Lunge über eine definierte Mikroflora. Diese ähnelt in ihrer Zusammensetzung weitestgehend der in der Mundhöhle. Während sich das Mikrobiom der oberen und unteren Atemwege qualitativ nicht wesentlich voneinander unterscheidet, nimmt die Dichte der mikrobiellen Besiedlung von den oberen zu den unteren Atemwegen beständig ab. Nach aktuellem Stand der Forschung geht man davon aus, dass sich die Zusammensetzung des Lungenmikrobioms aus den drei Parametern ‚Eintrag‘ (durch Inhalation, Mikroaspiration, mukosale Dispersion), ‚Austrag‘ (Husten, mukoziliäre Clearance, angeborene und adaptive Immunität) und ‚regionale Wachstumsbedingungen‘ (Nährstoffangebot, Sauerstoffgehalt, Temperatur, pH, etc.) definiert. Während die Lunge eines gesunden Menschen im Vergleich zu anderen Körperregionen als sehr nährstoffarm zu betrachten ist, führen entzündliche Erkrankungen der Lunge zu einem sprunghaften Anstieg der verfügbaren Nährstoffe und zu deutlichen lokalen Veränderungen oben genannter bakterieller Wachstumsparameter. Diese Veränderungen im ‚Ökosystem Lunge‘ spiegeln sich darin wider, dass sich das Lungenmikrobiom zwischen Gesunden und Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen zum Teil deutlich voneinander unterscheidet. Dieses belegt, dass in der erkrankten Lunge eine aktive Selektion auf bestimmte Mikroorganismen stattfindet. Derzeit wird intensiv daran geforscht, inwiefern Veränderungen in der Zusammensetzung des Lungenmikrobioms lediglich eine Begleiterscheinung der Erkrankung sind oder ob diese sogenannte Dysbiose (= qualitativ oder quantitativ von der Norm abweichende Bakterienflora) sogar im ursächlichen Zusammenhang mit der Pathogenese von Lungenerkrankungen stehen könnte.

Schlussfolgerung/Ausblick:

Ob und inwieweit das Lungenmikrobiom an der Pathogenese chronischer Lungenerkrankungen im Menschen tatsächlich eine übergeordnete Rolle spielt, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen. Sollte sich das aber tatsächlich bewahrheiten, würde dieses sicherlich einen weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung zukünftiger Therapien haben.