Suchttherapie 2017; 18(S 01): S1-S72
DOI: 10.1055/s-0037-1604631
Symposien
S-34 Komorbidität und Risikofaktoren bei Suchterkrankungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wo ist denn der Zappelphillipp? Screening und Diagnostik der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivität-Störung (ADHS) bei Alkoholabhängigen mithilfe von Fragebögen und computerbasierten Methoden

M Luderer
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
,
T Weber
2   MEDIAN Klinik Wilhelmsheim
,
E Sobanski
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
,
S Vollstädt-Klein
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
,
S Lis
3   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Psychiatrische Psychosomatische Psychotherapie
,
D Hermann
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
,
F Kiefer
1   Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. August 2017 (online)

 

Einleitung:

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivität-Störung (ADHS) hat bei Suchterkrankungen eine hohe Prävalenz. Leider wird die Erkrankung aber zu selten erkannt, auch weil sich Symptome beider Erkrankungen überlappen (z.B. Unruhe im Entzug und Hyperaktivität der ADHS). Internationale Leitlinien empfehlen daher ein gezieltes Screening bei Suchtpatienten. Studien zur Reliabilität von Screening-Verfahren sind dabei an dieser Population untersucht worden, allerdings nicht an einer größeren Zahl deutscher Patienten. Objektive Messmethoden z.B. der Hyperaktivität können möglicherweise bei Diagnostik und Screening zusätzlich unterstützen.

Methodik:

In einer ersten Studie wurden mehr als 450 alkoholabhängige Patienten mithilfe eines strukturierten Interviews auf ADHS hin untersucht. Mögliche Diagnosen aus diesem Interview mussten durch zwei Experten klinisch bestätigt werden. Bei allen Patienten wurden vier Screening-Instrumente angewandt: Conners' Adult ADHD Rating Scale (CAARS), Adult ADHD Rating Scale (ASRS), Wender-Utah-Rating-Skala – deutsche Kurzversion (WURS-k), ADHS Selbstbeurteilungsskala (ADHS-SB). Die Ergebnisse der Screening-Fragebögen können so mit einer überaus validen ADHS-Diagnose verglichen werden. In einer weiteren Studie absolvierten je 20 Probanden mit Alkoholabhängigkeit (AA), ADHS, beiden Erkrankungen (AA+ADHS) und eine Gruppe gesunder Kontrollprobanden (KTRL) eine 1-back-Aufgabe (QbTest). Dabei wurden Kopfbewegungen über eine hochauflösende Infrarot-Kamera aufgezeichnet, um die Hyperaktivität während des Tests objektiv messen zu können.

Ergebnisse:

In einer vorläufigen Auswertung zeigten sich für einzelne Fragebögen signifikante Korrelationen mit der ADHS-Diagnose. Dabei wurde allerdings bis zu einem Drittel der ADHS-Patienten durch das Screening nicht erkannt. Im QbTest zeigten sich Unterschiede in den Bewegungsmustern: Probanden mit ADHS (ADHS bzw. AA+ADHS) wiesen im Vergleich zu Probanden ohne ADHS (AA bzw. KTRL) eine signifikant erhöhte Hyperaktivität auf.

Schlussfolgerung:

Screening-Verfahren können helfen, Patienten für eine erweiterte ADHS-Diagnostik vorzuselektieren. Bei klinischem Verdacht sollte dennoch unabhängig von den Ergebnissen der Selbstbeurteilungs-Fragebögen eine gezielte Untersuchung erfolgen. Die Ergebnisse der objektiven Messung der Hyperaktivität sind vielversprechend. Für eine breite klinische Anwendung bei Alkoholabhängigen sind jedoch weitere Studien notwendig.