Klin Monbl Augenheilkd 2017; 234(10): S1-S13
DOI: 10.1055/s-0037-1604688
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklungsstörung der Pupille als Teil der multisystemischen Dysfunktion der glatten Muskulatur (MSMDS) bei heterozygoter Mutation im ACTA2

C Friedburg
1   Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Justus-Liebig-Universität, Gießen
,
G Gräf
1   Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Justus-Liebig-Universität, Gießen
,
ES Regalado
2   UTHealth, The University of Texas, USA
,
I Rost
3   Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik, Martinsried, Deutschland
,
B Lorenz
1   Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Justus-Liebig-Universität, Gießen
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Publication History

Publication Date:
12 October 2017 (online)

 

Einleitung:

Alpha-Actin 2 (ACTA2) ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der glatten Muskulatur. Hetereozygote Veränderungen wurden als wichtiger Grund für aortopulmonale Gefäßveränderungen beschrieben. Weniger bekannt ist, dass es im Rahmen einer generellen Erkrankung (multisystemic smooth muscle dysfunction syndrome MSMDS, OMIM #613834) für den Augenarzt schon bei Geburt als Störung der Funktion der Pupille sichtbar sein kann.

Methode:

Beschreibung von zwei Patienten mit heterozygoter ACTA2-Mutation R179 H.

Ergebnisse:

Bei einem 3 Tage alten Säugling mit Fehlentwicklung der großen Gefäße, erheblicher Schlängelung der Hirngefäße und periventrikulären Veränderungen der weißen Substanz fielen ophthalmologisch 5 mm weite Pupillen auf, die weder auf Licht, Dunkelheit oder Neosynephrin 2,5%/Pilocarpin 1% reagierten. Der nicht abgrenzbare Sphincter pupillae, das hypoplastische Irisstroma und die ausgeprägte Pupillarmembran mit kräftigen radiären Arkaden führten zur Diagnose einer Entwicklungsstörung. Die Netzhautgefäße waren deutlich geschlängelt.

Eine zweite Patientin wurde mit 4 Wochen wegen eines aortopulmonalen Fensters und großem offenen Ductus art. Botalli operiert. Später musste wegen Aortenaneurysma eine Aortenprothese implantiert werden. Auch bei ihr fielen eine mittelweite, nicht-reagierende Pupille sowie fehlende Akkommodation und geschlängelte Fundusgefäße auf. Im kraniellen MRT bestanden Veränderungen der weißen Substanz und Veränderungen der A. carotis interna.

Bei beiden Patienten wurde die für das MSMDS typische, heterozygote Mutation R179 H im ACTA2 nachgewiesen. Im Gegensatz zu anderen Mutationen des ACTA2 manifestiert sich diese bereits in früher Kindheit.

Diskussion:

Alle berichteten Patienten mit MSMDS wiesen peripartal sichtbare Funktions- und Entwicklungsstörungen der Pupille auf. Diese können Zeichen einer Multisystemerkrankung mit vitaler Bedrohung für die Patienten darstellen. Ein Warnhinweis ist der offene Ductus art. Botalli. Der genaue pathophysiologische Zusammenhang der Störung des Actins mit der Entwicklung der großen Gefäße (und der Pupillarmembran) ist derzeit noch unklar.

Literatur:

[1] Logeswaran et al (2017) Am J Med Genet Part A 173(4), 959 – 965.

[2] Regalado et al (2015) Circ Cardiovasc Genet 8:457 – 464.

[3] Moller HU et al (2012) Br J Ophthalmol 96(9):1227 – 1231.

[4] Gräf and Jungherr (2002): Arch Ophthalmol 120(4), 509 – 510.