Zeitschrift für Phytotherapie 2017; 38(S 01): S1-S44
DOI: 10.1055/s-0037-1607127
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Japanische Phytotherapie (Kampo) in der modernen Medizin

S Cameron
1   Klinik für Gastroenterologie und Endokrinologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
K Kuchta
1   Klinik für Gastroenterologie und Endokrinologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
L Frank
2   Phytochem Referenzsubstanzen, Neu-Ulm, Deutschland
,
K Weimer
2   Phytochem Referenzsubstanzen, Neu-Ulm, Deutschland
,
H Eiffert
3   Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
V Ellenrieder
1   Klinik für Gastroenterologie und Endokrinologie, Universitätsmedizin Göttingen, Deutschland
,
K Watanabe
4   Center for Kampo Medicine, Keio University, Tokyo, Japan
,
H Rausch
2   Phytochem Referenzsubstanzen, Neu-Ulm, Deutschland
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 September 2017 (online)

 

Die Kampo-Medizin als traditionelle pflanzenbasierte akademische Medizin Japans entwickelte sich über 1500 Jahre, basierend auf der antiken chinesischen Medizin. Sie beinhaltet eine detaillierte Anamnese, eine körperliche Untersuchung mit Bauchdecken-, Zungen- und Pulsdiagnostik, sodass individualisierte, standardisierte und kontrollierte Arzneidrogenrezepturen verordnet werden können. Seit ca. 50 Jahren gelten Kampo-Rezepturen in Japan als Arzneimittel und werden als standardisierte Extrakte von der staatlichen Krankenversicherung übernommen. Als Mixtur von 3 – 12 Arzneidrogen enthalten sie Hauptkomponenten wie Panax ginseng (ninjin), Zingiber officinale (kankyo), Cinnamomum cassia (keihi), Angelica acutiloba (toki), Paeonia lactiflora (shakuyaku) und Glycyrrhiza uralensis (kanzo). Typische Indikationen sind z.B. Magen-Darm-Beschwerden, die supportive Therapie onkologischer wie geriatrischer Patienten, Störungen der Mikrozirkulation, gynäkologische Beschwerden, Erkältungskrankheiten.

Dieses Wissen gilt es zu integrieren und wissenschaftlich zu evaluieren, um den Einsatz von Kampo-Rezepturen auch in Europa zugänglich zu machen. Traditionell werden die speziell geschnittenen Rohdrogen zur Dekoktierung in kaltes Wasser gegeben, bei aufgelegtem Deckel zum Sieden erhitzt und über ca. 30 – 40 min geköchelt. Moderne Fertigextraktpräparate werden in industriellen Großextraktionsanlagen entsprechend der japanischen Pharmakopöe in kochendem Wasser unter Zugabe von bis zu 30% Ethanol extrahiert. Ein methanolischer Gesamtextrakt ermöglicht die Vollextraktion des Inhaltsstoffspektrums für pharmakologische Experimente. Mit den unterschiedlichen standardisiert hergestellten Extrakten können immunmodulatorische Effekte der Kampo-Rezepturen und speziell ihre antibiotische und probiotische Wirkung auf das Mikrobiom des Darms untersucht werden. Außerdem beeinflussen Kampo-Extrakte epigenetische Regulationsmechanismen von Tumorzellen. Bisher fehlen solche detaillierten Untersuchungen zum Verständnis der Wirkweisen von Kampo-Rezepturen.