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DOI: 10.1055/s-0037-1607668
Dammriss 3. Grades: Einfluss auf den Beckenboden und die Lebensqualität – ein Langzeit-Follow-up an der Universitätsfrauenklinik Ulm
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
27. Oktober 2017 (online)
Fragestellung:
Es ist bekannt, dass es bei der vaginalen Entbindung eines Kindes zu Traumata des Beckenbodens kommen kann. Insbesondere höhergradige Dammrisse (DR) können mit Stuhl-, Windinkontinenz einhergehen. Häufig manifestieren sich Jahre danach Beckenbodendysfunktionen wie die Harninkontinenz (HIK), Deszensus genitalis, sexuelle Funktionsstörungen. Ziel dieser Studie war es, die Beckenbodenfunktion und die damit einhergehende Beeinflussung der Lebensqualität nach höhergradigen DR im Langzeitverlauf zu erheben.
Methodik:
Es wurden alle Frauen, die zwischen 2005 – 2013 an der Universitätsfrauenklinik Ulm mit einem DR III° entbunden haben kontaktiert. 72 Frauen füllten den „Deutschen Beckenbodenfragebogen“, mit Fragen zur Blasen-, Darm-, Sexualfunktion, Deszensusbeschwerden und Lebensqualität aus. Zu diesen Bereichen wurde ein Score von 0 – 10 erstellt, wobei 0 mit einer physiologischen Funktion und 10 mit einer Funktionseinschränkung einhergeht. Bei allen Frauen wurde ein möglicher Deszensus genitalis klassifiziert, die Beckenbodenkontraktilität, die Kontraktion des M. sphincter ani beurteilt, sowie eine HIK mittels Hustentest untersucht. Die Daten wurden mit den geburtshilflichen Daten korreliert.
Ergebnis:
Es zeigte sich in allen Bereichen eine Diskrepanz zwischen der Untersuchung und der subjektiven Wahrnehmung dieser Beschwerden. Im Vergleich zu den erhobenen Daten gaben die Frauen meist eine geringe Belastung durch die Beschwerden an. Nach DR III° zeigte sich eine Windinkontinenz von 30%, eine Stuhlinkontinenz von 20%, 13% haben eine Beeinträchtigung der Lebensqualität angegeben. Bei 75% der Frauen lag eine objektivierbare HIK vor, subjektiv wurde in 10% eine Beeinträchtigung angegeben. Für die postpartale Sexualität wurde von 40% der Frauen wenig Geschlechtsverkehr beschrieben. 10% gaben an, hierunter zu leiden. Ein positiver Hustentest und ein schwacher Analsphinktertonus waren jeweils signifikant mit einem hohen Gesamtscore des Deutschen Beckenbodenfragebogens assoziiert. Der in der klinischen Untersuchung definierte Deszensusgrad korrelierte mit den im Fragebogen angegebenen Senkungsbeschwerden. Eine Vakuumentbindung und eine Entbindung in Rückenlage waren mit einem höheren Stuhlgangsscore assoziiert.
Schlussfolgerung:
Dies ist eine der wenigen Studien, die nach einem DR III° einen validierten Fragebogen mit einer klinischen Untersuchung kombiniert, die Langzeitergebnisse erfasst. Es zeigt sich zum einen, dass die Prävalenz von Beckenbodenfunktionsstörungen hoch ist, dass aber nur ein Teil der Frauen dadurch beeinträchtigt ist. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass eine einfache Untersuchung mit Erfassung des Analsphinktertonus, Durchführung eines Hustentests gute Möglichkeiten darstellen, Hinweise auf Beckenbodenfunktionsstörungen zu erhalten. Ziel unseres klinischen Alltags sollte es sein, Frauen aktiv auf Beckenbodenfunktionsstörungen anzusprechen und jenen, welche einen Leidensdruck haben, weitere Diagnostik und Therapie anzubieten.