Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607681
Vorträge
Pränatale Diagnostik (Beratung, Screening, Ultraschall) II/und Psychosomatik und soziale Themenschwerpunkte
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Präferenzen von Frauen bei der Behandlung von Fehlgeburten: Konsequenzen für die Praxis aus einer Mixed Methods Studie

M Peters
1   Hochschule für Gesundheit, Hebammenwissenschaft, Bochum, Germany
2   Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf, Germany
,
CM Dintsios
2   Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Institut für Medizinische Soziologie, Düsseldorf, Germany
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Publication History

Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Fragestellung:

Frühe Schwangerschaftsverluste (FSV, auch Fehlgeburten) können mit drei medizinisch gleichwertigen Behandlungsoptionen behandelt werden: abwartendes, medikamentöses oder operatives Vorgehen. Die ACOG (The American Congress of Obstetricians and Gynecologists) empfiehlt Frauen mit FSV innerhalb eines Shared Decision Makings die drei Optionen anzubieten. In Deutschland wird überwiegend ein operatives Vorgehen angeboten.

Welche Behandlungspräferenzen haben Frauen in Deutschland? Welche Aspekte sollten in einem Beratungsgespräch berücksichtigt werden und welche Aspekte sind bei der Behandlung aus Frauensicht zu berücksichtigen?

Methodik:

Es wurde eine Literaturrecherche und eine Metaanalyse zu Nutzen und Schaden der Versorgungsoptionen und zu vorhandenen qualitativen und quantitativen Präferenzerhebungen bei der Behandlung von FSV durchgeführt. Innerhalb eines Fokusgruppeninterviews wurden die aus der Literatur ermittelten Ergebnisse in ihrer Übertragbarkeit auf Deutschland getestet.

In einem quantitativen Part der Studie gewichteten die Teilnehmerinnen (N = 37) mittels des Analytic Hierarchy Process (AHP) die zuvor ermittelte Leistungskriterien der Behandlungsoptionen. Der AHP ist neben der Conjoint Analyse (CA) eines von zwei Multi Criteria Decision Analysis Verfahren (MCDA), welche das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zur Messung von Patientenpräferenzen erprobt hat. Es ist eine Methode zur strukturierten und rational nachvollziehbaren Entscheidungsfindung, das bereits bei sehr kleinen Stichproben zu relevanten Ergebnissen führt.

In einem qualitativen Teil währen der AHP Erhebung äußerten die Teilnehmerinnen darüber hinaus für sie bedeutsame Aspekte bei der Durchführung der Behandlung und erläuterten ihre Behandlungsentscheidung.

Ergebnis:

Die Literaturrecherche zeigt keine Überlegenheit für eine der Behandlungsoptionen. Es konnten zwölf für die Frauen relevante Leistungskriterien für eine Behandlungsentscheidung zwischen den drei Behandlungsoptionen ermittelt und gewichtet werden. Am bedeutsamsten waren: Die Fehlgeburt als natürlicher Prozess erleben, Verletzungen an Uterus/Zervix vermeiden, Behandlung im Krankenhaus vermeiden, Unsicherheit wann die Fehlgeburt abgeschlossen ist vermeiden, einen kurzen Zeitraum bis zur abgeschlossenen Fehlgeburt haben. Darüber hinaus berichteten die Teilnehmerinnen über für sie wichtige Kontextfaktoren für eine sensible Betreuung während der Behandlung.

Schlussfolgerung:

Dieser Beitrag ist die erste quantitative Präferenzerhebung bei Frauen unter Einbeziehung psychologischer Leistungskriterien bei der Versorgung von FSV. Die Ergebnisse zeigen, welche Kriterien für betroffene Frauen besonders bedeutsam oder wenig bedeutsam sind. Sie suggerieren, dass die Entscheidung für eine Versorgungsmethode bei betroffenen Frauen vor allem abhängig von subjektiv bewerteten psychologischen Belastungen der jeweiligen Methode und individuell sehr unterschiedlich ist.