Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607735
Poster
Klinisch praktische Geburtshilfe (Vaginale Geburt, Sektio, Notfälle)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veränderungen der Perinataldaten von 1939 bis 1989 – eine retrospektive Auswertung repräsentativer Geburtskohorten anhand historischer Geburtenbücher des Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhauses

K Badenhoop
1   Sana Klinikum Berlin-Lichtenberg, Frauenklinik, Berlin, Germany
,
W Henrich
2   Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum und Charité Mitte, Kliniken für Geburtsmedizin, Berlin, Germany
,
M David
3   Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum, Klinik für Gynäkologie, Berlin, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Fragestellung:

Wie verändert sich die Häufigkeit von Spontangeburten, Sectio- und vaginal-operativen Entbindungen, vaginalen Beckenendlagen (BEL)-Geburten, Frühgeburtlichkeit und ausgewählten Geburtskomplikationen wie Gestose/Eklampsie, postpartale Blutung u.a. im historischen Verlauf über eine Zeitraum von 50 Jahren?

Methodik:

Es erfolgte die anonymisierte Handeingabe aller in den Geburtenbüchern dokumentierten Geburten des Berliner Rudolf-Virchow-Krankenhauses (heute Campus Virchow-Klinikum der Charité) ab dem 6. Schwangerschaftsmonat der Jahrgänge 1939/40, 1951/52, 1959/60, 1969/70, 1979/80, 1989/90 jeweils für 12 Monate jeweils vom 01.09.-31.08. Die Jahrgänge wurden aufgrund des vollständigen Vorhandenseins der Geburtenbücher ausgewählt. Mithilfe des Zehnjahresabstands sollten sich Entwicklungen klarer darstellen. Eingegeben wurden kindliche Daten (Größe, Gewicht), mütterliche Daten (Alter, Parität), Kindslage, Geburtsmodus, Geburtsverletzungen sowie Komplikationen in der Schwangerschaft, unter und nach der Geburt. Die Daten wurden auf Plausibilität geprüft. Medizinische Bezeichnungen, die Benennung von Krankheitsbildern u.a. haben sich im Verlaufe des 50-jährigen Beobachtungszeitraums teilweise geändert. Die Angaben aus den Geburtenbüchern wurden zunächst unverändert übernommen und dann ggf. zusammengefasst. Die Geburtenbucheinträge sind in den einzelnen Jahrgängen auch unterschiedlich detailliert. 112 Variablen wurden insgesamt codiert. Die Vorgaben des Datenschutzes wurden beachtet.

Ergebnisse:

Insgesamt flossen 8.339 Geburten in die Auswertung ein. Die Sectiorate stieg im Auswertungszeitraum von 2,8 auf knapp 10% an, die Forcepshäufigkeit sank im gleichen Zeitraum von 2,9 auf 0,4%, wobei seit den 1960er Jahren auch die Vakuumextraktion eine Rolle als Entbindungsmodus spielt (Steigerung 2,85 auf 3,6%). Die Rate vaginal geborener BEL-Kinder sank zwischen 1939/40 und 1989/90 von 4,3 auf 2%, die Frühgeburtenrate von 14,3% auf 8,6%. Mütterliche Todesfälle und Wochenbettkomplikationen sind nicht immer eindeutig dokumentiert, sodass eine zuverlässige Auswertung nur teilweise möglich war: Kindliche und mütterliche Mortalität gingen zurück.

Schlussfolgerungen:

Zur Geburtshilfe in der Zeit des Nationalsozialismus sowie in der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre gibt es bisher nur wenige systematische Untersuchungen. Unsere Auswertung kann einen Teil dieser Lücke füllen. Mithilfe der „Längsschnittsicht“ auf eine Klinik lassen sich pars pro toto wesentliche Entwicklungen in der Geburtshilfe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachzeichnen, die heute auch in der Fachöffentlichkeit nicht mehr allgemein bekannt sind. Verbesserungen der kindlichen und mütterlichen Ergebnisdaten sind über die untersuchten fünf Jahrzehnte hinweg nachweisbar.