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DOI: 10.1055/s-0037-1607862
Mutterkuchen – Mal versuchen?! Eine wissenschaftliche Betrachtung von Plazenta-Präparaten als Heilmittel im Wochenbett
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
27. Oktober 2017 (online)
Einleitung:
In den letzten Jahrzehnten kann man unter Müttern der industrialisierten Länder den Trend beobachten, die eigene Plazenta als Heilmittel im Wochenbett einzunehmen. Ausgehend von den USA wurde das Verarbeiten der getrockneten Plazenta zu Kapseln für die postpartale Einnahme auch in Europa populär. Angebliche Benefits sind vermehrte Milchbildung, stabile Gemütslage, beschleunigte Rückbildung und das subjektive Gefühl von „mehr Energie“ im Wochenbett.
In der traditionellen Chinesischen Medizin wird gedämpfte, getrocknete Plazenta hominis seit Jahrhunderten als Therapeutikum angewendet, unter anderem bei insuffizienter Milchbildung.
Ziel der Studie:
In dieser Studie wurde untersucht, welche Hormone und Spurenelemente in Plazentagewebe enthalten sind und wie sich deren Konzentration durch das Verarbeiten und Dehydrieren verändert. Außerdem wurde die bakterielle Kontamination von Plazenta-Präparaten analysiert.
Methode:
Neun Plazenten, alle von spontanen, interventionslosen Geburten gesunder Frauen wurden verarbeitet. Die Konzentrationen von CRH, hPL, Oxytocin (OT) und ACTH in rohem, dehydriertem und gedämpften und dehydriertem Plazentagewebe wurden mittels ELISA gemessen. Durch einen Hefe-Rezeptor-Bioassay wurde die Bindung der Inhaltsstoffe an den humanen Rezeptor für Östrogene (EEQ) und Progesteron (PEQ) analysiert.
Spurenelemente (As, Cd, Fe, Pb, Se, Hg) wurden mittels ICP-MS quantifiziert.
Isolierte Kolonien von Proben und Abstrichen der Plazentapräparate wurden durch Vitek-MS identifiziert.
Ergebnisse:
Die höchste Konzentration (Mittelwert) von Hormonen wurde in roher Plazenta gefunden: CRH 1217,50 ng/g, hPL 120,59 mg/g, OT 589,89pg/g, ACTH 14,47 ng/g and EEQ 313,61 ng/g. Einzig gestagen-aktive Substanzen (PEQ) überstanden den Trocknungsvorgang mit der höchsten Konzentration von 15,87 µg/g in dehydriertem Gewebe.
Mikroorganismen der vaginalen Flora wurden auf Abstrichen und in den Präparat-Proben identifiziert. Die absolute Anzahl an Spezies änderte sich deutlich mit der Verarbeitung: rohe Plazenta (13), roh dehydrierte Plazenta (5), gedämpfte Plazenta (4) und gedämpfte, dehydrierte Plazenta (2).
Die Konzentrationen potentiell toxischer Spurenelemente (As, Cd, Hg, Pb) waren unterhalb der zugelassenen Höchstgehalte für Lebensmittel.
Diskussion:
Das Dehydrieren von Plazentagewebe verursacht eine signifikante Reduktion der Hormonkonzentrationen als auch eine deutliche Keimreduktion. Das Risiko für eine Intoxikation bei individueller Einnahme von Plazenta-Präparaten ist gering.
Plazentagewebe ist eine Quelle natürlicher Hormone, Spurenelemente und essentieller Aminosäuren – die Einnahme roher oder dehydrierter Plazenta könnte die postpartale Genesung, Laktation, Gemütslage und Rückbildung beeinflussen. Weitere Studien zur biologischen Verfügbarkeit der Hormone nach oraler Einnahme und deren potentiellem physiologischen Effekt sind notwendig um die Anwendung von Plazenta-Präparaten besser beurteilen zu können.