Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(01): 83-92
DOI: 10.1055/s-0038-1625059
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Nobelpreiskandidaten in der Gynäkologie 1901 – 1920

N Hansson
1   GGGB, Berlin
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Publication Date:
11 January 2018 (online)

 

Keinem Gynäkologen wurde bisher der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen, aber an Kandidaten hat es nicht gefehlt. Bereits in den ersten Jahrzehnten nach der ersten Nobelpreisvergabe 1901 standen wiederholt deutsche Gynäkologen auf den Nominierungslisten. Bei meiner Recherche im Stockholmer Nobelpreisarchiv auf der Suche nach Pionieren in diesem Bereich wurde deutlich, dass deutsche Forscher in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Schlüsselrollen innehatten. Anhand der Nominierungen wird für Wilhelm Alexander Freund (1833 – 1917), Bernhard Sigmund Schultze (1827 – 1919) und Bernhard Krönig (1863 – 1917) untersucht, mit welchen Begründungen sie in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts für den Preis vorgeschlagen wurden. Die Entwicklungen und Fortschritte im Bereich der operativen Gynäkologie wie auch der Geburtshilfe werden in den Nobelpreisnominierungen gespiegelt, denn noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert erfuhr die Gynäkologie einen dynamischen Aufschwung. Bereits 1877 war der Versuch unternommen worden, aus der Sektion Gynäkologie der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e.V. (GDNÄ) heraus eine eigenständige Gesellschaft zu gründen und einen eigenständigen Kongress zu organisieren, was aber zunächst fehlschlug. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie (und Geburtshilfe) wurde aber wenig später im Jahr 1885 etabliert und die Kommunikation unter Kollegen war durch neue Zeitschriften wie Archiv für Gynäkologie (1870), Beiträge zur Geburtshülfe und Gynäkologie (1872), Zeitschrift für Geburtshilfe und Frauenheilkunde (1875/76) und Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie (1877) befördert worden. Das Schicksal, noch keinen Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für sich beanspruchen zu können, teilt die Gynäkologie mit einigen anderen Fächern. Gänzlich zu klären sind die Gründe hierfür nicht, erfüllten die genannten Kandidaten doch zumindest die Grundvoraussetzung nominiert zu werden. Sie bearbeiteten Forschungsschwerpunkte, die innovativ, aber ihrer Zeit nicht zu weit voraus waren, verfügten über soziale Netzwerke und konnten einflussreiche Publikationen vorweisen. Nachteilig auf die Preischancen der drei erwähnten Gynäkologen war der Umstand, dass einige der Nominierungen auf beliebte Lehrbücher oder Operationen verwiesen, die dem Nobelkomitee zufolge nicht als Schlüsselpublikationen für innovative Entdeckungen „zum Nutzen der ganzen Menschheit“ galten, wie es das Testament Alfred Nobels fordert.