Zusammenfassung
Sozial-kognitive Funktionen wie Theory of Mind (ToM) und Empathie finden bei der bipolaren
affektiven Störung zunehmende Beachtung. Trotz einiger klinischer und neurobiologischer
Gemeinsamkeiten mit der Schizophrenie zeigen sich im Hinblick auf die soziale Kognition
entscheidende Unterschiede zwischen beiden Erkrankungen. Der Artikel referiert die
aktuelle Datenlage zu ToM und Empathie und präsentiert neue empirische Ergebnisse
bei euthymen Patienten. Diese Studie zeigt bei bipolaren Patienten ein Defizit in
der auf Sprache basierten ToM, wie beispielsweise dem Verständnis von Ironie, welches
im Gegensatz zu Defiziten bei kognitiv-kontextuell basierten ToM-Aufgaben unabhängig
von allgemeinen kognitiven Funktionen ist. Beim Mentalisieren auf Basis sozialer Perzeption
ergab sich kein Unterschied zu Gesunden. Zusammengefasst sind ToM-Defizite bei bipolarer
Störung von her-ausgehobenem Interesse, da sie sowohl bei der Entwicklung von psychotischen
Symptomen als auch als Belastungsfaktoren in der Interaktion mit anderen diskutiert
werden. Vor diesem Hintergrund sind ToM-Defizite schon vor Erkrankungsbeginn beachtenswert
und erklären erste Überlegungen, diese Symptomcharakteristik als intermediären Phänotyp
im Hinblick auf Assoziationen mit genetischen Varianten zu untersuchen.
Summary
Deficits of theory of mind and empathy have been reported in bipolar disorder and
schizophrenia. Despite a range of common characteristics of both disorders, significant
differences exist in the field of social cognition. The article reviews current evidence
concerning social cognition in bipolar disorder and presents new empirical data on
theory of mind and empathy in euthymic bipolar patients. Findings of this study suggest
a compromised ability to interpret metaphorical speech in bipolar individuals. In
contrast to the deficits of context-dependent cognitive mentalizing, these results
were independent from general neurocognitive functioning. Mentalizing based on social
perception did not differ between groups. In sum, impairments of theory of mind and
empathy are of some interest, as they may contribute to the formation of psychotic
symptoms and problems in social interaction. Although social-cognitive deficits should
be considered already in the prodromal phase of bipolar disease, further research
is required to determine their potential role as an intermediate phenotype.
Schlüsselwörter
ToM - Empathie - soziale Kognition - Mentalisierung - bipolare Störung
Keywords
ToM - empathy - social cognition - mentalizing - bipolar disorder