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DOI: 10.1055/s-0038-1648579
Nekrotisierende Ösophagitis und Pankreatitis bei chronischer Methylethylketon-Intoxikation – ein Fallbericht
Publication History
Publication Date:
03 May 2018 (online)
Hintergrund:
Eine nekrotisierende Ösophagitis ist ein seltenes Krankheitsbild. Zum „Black Oesophagus“ existieren nur einzelne Fallberichte. Noch seltener kommt es begleitend zu einer nekrotisierenden Pankreatitis.
Fallbericht:
Wir berichten über einen 51-jährigen Patient, vom Beruf Apotheker, der initial notfallmäßig wegen akuter psychotischer Symptome mit Verwirrung, Agitiertheit, Schwindel und Halluzinationen bei bekannter Depression und Alkoholismus extern dem niedergelassenen Psychiater aufgefallen war.
Im Notfall-Schädel-CT in der Notaufnahme zeigte sich ein unauffälliger cerebraler Befund. Abdominell zeigte sich eine nekrotisierende Pankreatitis. Im weiteren Verlauf trübte der Patient zunehmend ein und entwickelte ein dialysepflichtiges, akutes Nierenversagen. Bei Hämatochezie wurde endoskopisch eine nekrotisierende Ösophagitis diagnostiziert. Letztendlich wurde eine Atemwegssicherung durch Intubation notwendig. In einem toxikologischen-Screening im Blut fanden sich laborchemisch hohe Aceton- und Ethylglukuronidwerte.
Nur durch eine umfassende Fremdanamnese gelang es die Genese dieses Symptomkomplexes zu eruieren. Der Ehefrau des Patienten war seit circa 3 Monaten ein acetonhaltiger, metallischer Foetor ex ore aufgefallen. Zudem hatte die Ehefrau nach Aceton riechende, umgefüllte Wasser- und Süßgetränkflaschen im Dachboden versteckt gefunden. Die Flüssigkeit wurde als medizinischer Alkohol versetzt mit dem Vergällungsmittel Butan-2-on (Methylethylketon) identifiziert.
Nach einer maximalen intensivmedizinischen Betreuung mit einer Mehrfach-Antibiose und nach einer prolongierten Weaningphase konnte der Patient nach einem 33-tägigen Aufenthalt dekanüliert, vollorientiert und an die Bettkante mobilisiert in eine Rehabilitationseinrichtung verlegt werden. In der Kontrollgastroskopie vor Verlegung zeigte sich die nekrotisierende Ösophagitis in Abheilung.
Nach Erlangung der vollständigen Kognition hat der Patient angegeben, dass er als Apotheker bereits seit circa einem Jahr medizinischen Alkohol regelmäßig verdünnt zu sich genommen hat. Erstmalig wird ein Fallbericht zu einer Intoxikation mit Methylethylketon veröffentlich, den der Betroffene überlebt hat. Die Substanz ist bislang unzureichend bzgl. des Nebenwirkungsprofils untersucht. Die Europäische Union hat eine weitere Testung dieser Substanz an Lebewesen für 2018 in Schweden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) geplant.
Schlussfolgerung:
Erstmalig wird ein Fallbericht zu einer Intoxikation mit Methylethylketon veröffentlich, den der Betroffene überlebt hat. Vermutlich liegt es an der geringen Konzentration des Mittels durch die Verdünnung mit Wasser. Das Mittel ist unzureichend bzgl. des Nebenwirkungsprofils bislang untersucht worden. Erwähnenswert ist auch die zeitnah erfolgte Dialyse initial. Wahrscheinlich hat dies zur raschen Giftelimination beigetragen. Dieses Verfahren ist bereits für Alkoholintoxikation mit > 4 Promille etabliert. Dieser Fallbericht gibt Hinweis darauf, dass eine Intoxikation mit Methylethylketon zu einer kognitiven Einschränkung, zu einem akuten Nierenversagen, zu einer nekrotisierenden Pankreatitis und Ösophagitis führen kann und durch eine lange, intensivmedizinische Betreuung überlebt werden kann.