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DOI: 10.1055/s-0038-1648593
Phytotherapeutika-induzierte Leberschäden: Idiosynkratische Reaktion und Interaktionspotential am Beispiel von drei Fällen
Publication History
Publication Date:
03 May 2018 (online)
Hintergrund:
Die Anwendung von Phytotherapeutika und NahrungsergänzungsmitteIn (Herbals & Dietary Supplements = HDS) ist zunehmend weit verbreitet. Somit werden auch Leberschäden durch Phytotherapeutika und NahrungsergänzungsmitteI mit zunehmender Häufigkeit berichtet [1,2]. Hier stellen wir drei Fälle aus unserer Klinik vor, bei denen Phytotherapeutika Leberschäden (mit)verursacht haben.
Methoden:
In unserer prospektiven Studie zur Untersuchung von akuten Leberschäden in Zusammenhang mit Medikamenteneinnahme (ClinicalTrials.gov no: NCT 02353455) sollen 3 Fälle beschrieben werden, welche in Zusammenhang mit HDS standen. In diesen Patienten erfolgte ebenfalls eine Testung mit einem In vitro Test (MH Test), welcher die Kausalitätsprüfung bei medikamenteninduzierten Leberschäden unterstützen kann [3,4].
Ergebnisse:
Bei zwei Patienten kam es zu einer Leberschädigung in Zusammenhang mit der Einnahme von Grüntee-Extrakt: Der erste Patient war ein gesunder 27-Jähriger, der sich mit deutlicher Transaminasenerhöhung (ALT > 2.400 U/l) bei normalem Bilirubin und INR vorstellte. Nach Ausschluss einer viralen Genese, Cholestase, Ischämie, Autoimmun- oder Stoffwechselerkrankungen wurde die seit ˜9 Monaten bestehende Einnahme von Grüntee-Extrakt als wahrscheinlichste Ursache angesehen (RUCAM 6). Die Leberwerte normalisierten sich nach Beendigung der Einnahme. Die zweite Patientin (62 Jahre) litt an einer Leberzirrhose aufgrund einer Autoimmunhepatitis, welche seit Jahren unter Azathioprin 150 mg und Prednisolon 5 mg stabil war. Im Rahmen eines Leberwertanstiegs (ALT 130 U/l, AST 210 U/l und Bilirubin 1,3 mg/dl) berichtete die Patientin seit 3 Monaten Grüntee-Extrakt einzunehmen. Nach Ausschluss anderer Ursachen für die Verschlechterung und Beendigung der Einnahme von Grüntee-Extrakt besserten sich die Leberwerte wieder (ALT 82 U/l, AST 53 U/l und Bilirubin 0,8 mg/dl; RUCAM 6). Der dritte Fall ist eine 50-jährige Patientin mit seit Jahren stabil verlaufender nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD). Etwa 4 Wochen nach Beginn der Einnahme von Silymarin (Mariendistelextrakt; RUCAM 4) entwickelte sie Übelkeit, Ikterus und Pruritus (ALT 349 U/l, AST 142 U/l, AP 293 U/l, GGT 696 U/l und Bilirubin 2,7 mg/dl). Weiterhin berichtete die Patientin, dass sie aufgrund einer Zahninfektion Clindamycin (RUCAM 6) eingenommen hatte. Mehrere vorausgegangene Clindamycin-Therapien waren problemlos erfolgt. Andere Ursachen für den Leberschaden konnten ausgeschlossen werden. Nach Absetzen von Silymarin kam es zu einer Besserung (ALT 210 U/l, AST 79 U/l AP 172 U/l, GGT 178 U/l und Bilirubin 0,7 mg/dl). Unter Zuhilfenahme eines neuen in vitro Test (MH Test) konnte in den beiden ersten Patienten eine individuell erhöhte Toxizität des Grüntee-Catechin Epigallocatechingallat (EGCG) nachgewiesen werden. Im dritten Fall zeigte sich eine Reaktivität gegenüber Clindamycin, welche in der Kombination mit Silbinin deutlich stärker ausfiel.
Zusammenfassung:
In den ersten beiden Fällen legt der RUCAM Score die Kausalität des Grüntee-Extrakts nahe (RUCAM 6 in beiden Fällen). Bei der dritten Patientin weist RUCAM auf Clindamycin als Ursache hin (RUCAM: 6). Bemerkenswert ist, dass Clindamycin zuvor ohne Auswirkungen auf die Leber vertragen wurde und somit eine Wechselwirkung mit Silymarin (RUCAM: 4). Somit erscheint eine Wechselwirkung mit Silymarin wahrscheinlich. Diese Vermutung wird von den Ergebnissen des MH Tests unterstützt. Patienten sollten darüber informiert werden, dass auch die Einnahme von HDS mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Bei akuten Leberschäden und Verdacht auf eine Medikamentenreaktion sollte gezielt nach HDS gefragt und auf die Möglichkeit einer Reaktion auf HDS oder Interaktion geachtet werden.