Hamostaseologie 1995; 15(03): 124-126
DOI: 10.1055/s-0038-1655299
Übersichtsarbeiten/Review Articles
Schattauer GmbH

Heparin-assoziierte Thrombozytopenie

H. D. Bruhn
1   1. Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. U. R. Fölsch), Universität Kiel
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Publikationsdatum:
22. Juli 2018 (online)

Zusammenfassung

Zur Zeit gilt die Heparin-assoziierte Thrombozytopenie als die häufigste Form einer Medikamenten-induzierten Thrombozytopenie. Sie tritt in einer klinisch harmlosen Form (Typ I) der Thrombozytopenie auf, wobei die Thrombozytenwerte hierbei selten unter 100000/jjil fallen und sich unter weiterer Heparingabe sogar normalisieren. Klinische Komplikationen sind bei diesem Typ I der Heparinassoziierten Thrombozytopenie nicht zu erwarten. Die Häufigkeit dieser Form der Heparin-assoziierten Thrombozytopenie wird mit etwa 10% angegeben. Besondere diagnostische und therapeutische Maßnahmen sind nicht erforderlich.

Die Heparin-assoziierte Thrombozytopenie Typ II unterscheidet sich auch klinisch deutlich von dem harmlosen Typ I. Sie tritt im allgemeinen 7 bis 10 Tage nach Beginn der Heparintherapie auf. Bei Patienten, die früher schon einmal Heparin erhalten hatten, kann sie jedoch bereits innerhalb weniger Stunden nach Reexposition in Erscheinung treten. Die Thrombozytenwerte fallen oft bis unter 50000 Thrombozyten/|jil Blut und normalisieren sich erst nach Absetzen des Heparins. Die Patienten sind vor allem durch arterielle Gefäßverschlüsse (White-clot-Syndrom), seltener durch venöse Gefäßverschlüsse gefährdet. Bei diesem Typ II der Heparin-assoziierten Thrombozytopenie werden immunologische Mechanismen der Plättchenaktivierung und des dann folgenden Plättchenverbrauchs diskutiert. Das Risiko, eine Thrombozytopenie zu entwickeln, ist bei Patienten, die prophylaktische Dosierungen des Heparins (niedrigdosiertes Heparin) erhalten, lediglich mit 1/10 der Häufigkeit im Vergleich zu therapeutischen Heparindosierungen zu veranschlagen: niedrigdosiertes Heparin führt im Durchschnitt in ca. 0,3% der Fälle zu einer Heparin-assoziierten Thrombozytopenie, therapeutische Heparindosierungen dagegen führen zu einer Häufigkeit der HAT zwischen 1,5 und 3% der Behandelten. Die Häufigkeit der Heparin-assoziierten Thrombozytopenie wird deutlich vom klinischen Umfeld beeinflußt: Im Bereich der kardiovaskulären Chirurgie (koronarer Bypass, Gefäßchirurgie) kommt es besonders häufig zu Heparin-assoziierten Thrombozytopenien, möglicherweise als Ausdruck der Plättchenaktivierung an extrakorporalen Oberflächen.

In der Behandlung der Heparin-assoziierten Thrombozytopenie ist neben sofortigem Absetzen des Heparinpräparates ein Ausweichen auf andere antithrombotische Maßnahmen empfehlenswert (Hirudin, Orgaran, Cumarin, Dextran). Dem Patienten sollte auf jeden Fall zur Vermeidung späterer Komplikationen ein entsprechender Ausweis ausgehändigt werden, der auf das Problem der Heparinassoziierten Thrombozytopenie hinweist. Trotz der sicherlich damit verbundenen Schwierigkeiten sollte in der ambulanten Medizin in der Phase der Heparinapplikation zur Thromboseprophylaxe in der sogenannten Posthospitalphase versucht werden, die Plättchenzahlen im Zeitraum vom 5. bis 20.Tag der Heparintherapie zweimal zu zählen, weil die Heparin-assoziierte Thrombozytopenie Typ II in diesem Zeitraum am häufigsten auftritt.

 
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