Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(06): 618-619
DOI: 10.1055/s-0038-1655520
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fallvorstellung: Fetale Anämie – Fetomaternales Transfusionssyndrom

F Winterholler
1   Klinikum Nürnberg, Klinik für Frauenheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg
,
V Ernst
1   Klinikum Nürnberg, Klinik für Frauenheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg
,
S Schäfer
2   Klinikum Nürnberg, Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg
,
C Brucker
1   Klinikum Nürnberg, Klinik für Frauenheilkunde, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg
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Publication History

Publication Date:
25 June 2018 (online)

 

Einleitung:

Das fetomaternale Transfusionssyndrom beschreibt den Übergang fetaler Blutbestandteile in den mütterlichen Kreislauf. Unterschieden wird zwischen einer Mikrotransfusion (> 0,5 ml entspricht > 0,1‰ fetaler Erythrozyten) und einer Makrotransfusion (> 15 ml entspricht > 3,0‰ fetaler Erythrozyten).

Häufig verläuft die fetomaternale Transfusion symptomlos. Jedoch kann in seltenen Fällen eine Makrotransfusion zu einer fetalen Anämie führen (1 : 3.000 – 10.000 Geburten). Dies kann den Feten erheblich gefährden und bis zum intrauterinen Fruchttod führen.

Im Folgenden berichten wir über eine schwere Form der fetalen Anämie, verursacht durch eine fetomaternale Transfusion.

Epikrise:

Die 35-jährige IIIG IIP wurde in der 36+4 SSW aufgrund eines suspekten Cardiotokogramms (CTG) während einer Routineuntersuchung in der Frauenarztpraxis in die Klinik überwiesen. Der bisherige Schwangerschaftsverlauf war komplikationslos. Sonografisch gab es keinerlei Auffälligkeiten. Das Aufnahme-CTG war eingeengt mit variablen Dezelerationen ohne Wehentätigkeit. Positionswechsel der Patientin und Infusionstherapie besserten das CTG nicht, so dass die eilige Sectio caesarea in Spinalanästhesie indiziert wurde. Die Operation verlief komplikationslos. Das Fruchtwasser war klar, jedoch war die Plazenta ungewöhnlich groß. Das lebensfrische aber blasse Neugeborene wurde an das anwesende Pädiaterteam übergeben.

Nach wenigen Minuten wurde das Neugeborene apnoeisch und schlapp. Der schnell durchgeführte Hämoglobin (Hb)-Wert betrug 4,8 g/dl. Zusätzlich war eine CPAP-Ventilation nötig. Das Mädchen wurde umgehend auf die Neugeborenenintensivstation verlegt. Dort wurde sie mit 20 ml/kg Erythrozytenkonzentrat transfundiert. Ein durchgeführter Röntgen-Thorax zeigte beidseits entfaltete Lungen. Am Folgetag konnte die Ventilation beendet werden. Weitere Hb-Kontrollen zeigten stabile Hb-Werte. Weitere sonographische Untersuchungen sowie Kontrollen des Neugeborenen blieben unauffällig.

Diagnose:

Fetomaternales Transfusionssyndrom mit fetaler Anämie.

Diskussion:

In Zusammenschau der Laborbefunde ist bei der fetalen Anämie, dem mütterlich erhöhtem HbF-Wert von 7% und der kindlich erhöhten Retikulozytenzahl von einer chronischen fetomaternalen Transfusion auszugehen.

Bei dem klinischen Verdacht eines fetomaternalen Transfusionssyndroms sollte laborchemisch fetales Hämoglobin im mütterlichem Blut bestimmt werden. Sobald sich der Verdacht bestätigt, muss mit den Eltern und interdisziplinär zwischen Geburtshelfern und Pädiatern in Abhängigkeit der Schwangerschaftswoche über eine baldige Schwangerschaftsbeendigung mittels Sectio caesarea oder bei Schwangerschaftsverlängerung über weiterführende Maßnahmen wie eine fetale Lungenreifeinduktion sowie eine intrauterine Transfusion diskutiert werden.