Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(06): A69
DOI: 10.1055/s-0038-1660666
Postersession: Samstag, 9. Juni 2018: 10.30 – 11.30 Uhr, Foyer
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwangerschaft bei hereditärer peripherer sensomotorischer Neuropathie: Ein Fallbericht

A Walter
1   Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Universitätsklinikum Bonn
,
U Gembruch
1   Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Universitätsklinikum Bonn
,
A Flöck
1   Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Universitätsklinikum Bonn
,
WM Merz
1   Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Universitätsklinikum Bonn
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
06 June 2018 (online)

 

Hintergrund:

Die hereditäre periphere sensomotorische Neuropathie Typ 1 oder CMT1A gehört mit einer Prävalenz von 1: 2500 zu den häufigsten vererbbaren peripheren Neuropathien. Meist liegt ein autosomal dominanter Erbgang mit variabler Expression mit einer Mutation im Gen PMP 22 vor, wodurch es zu einer Myelinisierungsstörung peripherer Nerven mit nachfolgender neurogener Muskelatrophie kommt. Die Behandlung ist symptomatisch. Daten zu Schwangerschaften und Geburten sind rar; eine mögliche Verschlechterung der Erkrankung im Schwangerschaftsverlauf, eine höhere Rate an vaginal-operativen Entbindungen und Kaiserschnitten, sowie ein höheres Risiko einer peripartalen Blutung sind beschrieben.

Fallbericht:

Eine 31-jährige Gravida I Para 0 mit molekulargenetisch gesicherter CMT1A stellte sich bei dichorialer diamnialer Geminigravidität im Zustand nach ICSI und PID in der 34. SSW zur Geburtsplanung vor. Bis auf eine leichte Gewichtsdiskordanz (Fet 1: 76 Perz.; Fet 2: > 97 Perz.) lag eine unauffällige fetale Entwicklung vor. Zu einer vaginalen Entbindung sah sich die Patientin aufgrund einer progredienten Muskelatrophie und Beinschwäche sowie neuropathischen Schmerzen nicht in der Lage, so dass die Entbindung per elektiver Sectio auf Wunsch der Patientin in der 36 SSW erfolgte (Kind 1: Mädchen 2805 g, 76 Perz., APGAR 9/10/10, pH 7,20; Kind 2: Mädchen 3290 g, > 97 Perz., APGAR 8/9/10, pH 7,22). Intraoperativ zeigte sich eine massive Atonie, die die Gabe von 16 IU Oxytocin, 1000 µg Misoprostol (rektal), 0,5 mg Sulproston, 2 g Tranexam, sowie die Transfusion von 3 FFPs und 2 EKs erforderlich machte; der geschätzte Blutverlust betrug 2500 ml. Im weiteren postpartalen Verlauf kam es zu einer generalisierten Exazerbation der neuropathischen Schmerzen; eine Therapie mit Lyrica wurde begonnen.

Schlussfolgerung:

Unser Fall bestätigt vorhandene Daten bezüglich einer Verschlechterung der Grunderkrankung durch die Schwangerschaft. Eine CMT-vermittelte, akzentuierte Degeneration adrenerger uteriner Neurone mit einer konsekutiven Beeinträchtigung der uterinen Kontraktilität wird als Ursache des erhöhten Risikos einer Uterusatonie vermutet (Hoff JM et al. Neurology 2005; 64:459). Eine gemeinsame interdisziplinäre Betreuung mit Kollegen der Fachbereiche Geburtshilfe, Pränatalmedizin, Neurologie, und Anästhesie ist für ein erfolgreiches Ergebnis unabdingbar.