Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(08): e50
DOI: 10.1055/s-0038-1668008
POSTER
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Komplexität verstehen: Die Versorgungssituation als komplexes adaptives System am Beispiel der Palliativversorgung

F Hodiamont
1   Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, München, Deutschland
,
E Schildmann
1   Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, München, Deutschland
,
S Jünger
2   Universität Köln, CERES – Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health, Köln, Deutschland
,
C Bausewein
1   Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, München, Deutschland
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Publication History

Publication Date:
06 August 2018 (online)

 

Einleitung:

Als komplexe Problemstellung weist die palliative Versorgungssituation wechselseitige, nicht-lineare Beziehungen auf und geht mit Unsicherheit einher. Beim Umgang mit komplexen Problemstellungen ist eine situationsgerechte Problemlösungsmethodik entscheidend. Der Systemgedanke der Theorie komplexer adaptiver Systeme (KAS) bietet einen Rahmen zur Verortung der Problemstellung und möglicher Lösungen. Ein KAS besteht aus selbstständig handelnden interagierenden Agenten. Als Teil eines übergeordneten Systems steht es mit anderen Systemen in Beziehung und besteht seinerseits aus interagierenden Subsystemen. Es ist nach außen offen und reagiert auf Impulse aus der Systemumwelt. In dieser Studie wird untersucht, welche Merkmale Komplexität einer palliativen Versorgungssituation beschreiben und ob sich diese als komplexe Problemstellung in einem KAS verorten lässt.

Material & Methoden:

Qualitative Interviewstudie mit semistrukturierten Experteninterviews. Interview-Transkripte wurden nach der Framework Methode analysiert. Das thematische Framework wurde induktiv entwickelt, Kategorien vor dem Hintergrund der KAS Theorie subsumiert und in Verbindung gesetzt.

Ergebnisse:

42 Experteninterviews von 6 – 10/2015. Das KAS der palliativen Versorgungssituation besteht aus drei Subsystemen: (1) Patient/in, (2) soziales System, (3) Team. Die Agenten des Systems Patient/in lassen sich weiteren Subsystemen auf Patientenebene zuordnen: dem physischen, dem seelischen, dem soziokulturellen. Das System Patient/in ist auf Individuums-Ebene organisiert. Soziales System (Angehörige) und System Team (Teammitglieder) sind eine Ansammlung sozialer Agenten. Diese wirken als Träger bestimmter Merkmale, Rollen und Beziehungen auf das KAS der Versorgungssituation ein. Agenten innerhalb der einzelnen Subsysteme als auch Subsysteme selbst interagieren und gestalten das Systemverhalten der komplexen Versorgungssituation.

Diskussion:

Faktoren, die von Expert/innen als komplexitätsbeschreibend genannt wurden, können im KAS verortet werden. Systemelemente und ihre Beziehungen geben Einsicht in Verhaltensmöglichkeiten des KAS der palliativen Versorgungssituation und zeigen auf, dass einzelne Elemente nicht losgelöst von der Gesamtsystem-Situation zu sehen sind.

Schlussfolgerung:

Die Ergebnisse bilden das KAS einer spezifischen Problemstellung ab und zeigen beispielhaft, wie auch andere Fragestellungen der Gesundheitsversorgung im Systemgedanken verortet werden können.