Zeitschrift für Palliativmedizin 2018; 19(05): e15-e16
DOI: 10.1055/s-0038-1669253
Vortrag
PS 20 Forschung: 07.09.2018 – 11:00 – 12:30 – Lloyd
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Handlungsstrategien des klinischen Personals in der Palliativversorgung von Menschen mit Migrationshintergrund

C Banse
1   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
,
F Schade
1   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
,
S Owusu-Boakye
1   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
,
F Nauck
1   Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Palliativmedizin, Göttingen, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
20 August 2018 (online)

 

Fragestellung:

Im Rahmen einer qualitativen Studie über die Versorgung von unheilbar an Krebs erkrankten Menschen mit Migrationshintergrund wurden klinisch Tätige dazu befragt, wie sie die palliativmedizinische Versorgung erleben. Welche Besonderheiten sieht das medizinische Personal in der Begleitung?

Methodik:

Qualitatives Design; narrative Interviews mit 20 Versorgern; interpretative Auswertung mit Grounded Theory.

Ergebnis:

Der Anspruch der Palliativversorgung, die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen und durch einen multiprofessionellen Ansatz verschiedene Versorgungsstrategien zu ermöglichen, traf auf eine komplexe Wirklichkeit: Von den Versorgenden wurden Situationen beschrieben und kritisch bewertet, in denen das eigene palliative Handeln nicht so umgesetzt werden konnte, wie man es angestrebt hatte. Patienten mit Migrationshintergrund waren in der Wahrnehmung der Versorgenden häufig eine Herausforderung, besonders wenn hohe Erwartungen an das medizinische System wahrgenommen wurden. Es bestanden Unsicherheiten im Umgang mit Fluchterlebnissen, Sprachbarrieren oder Ausgrenzungserfahrungen. Darüber hinaus gab es rechtliche Unklarheiten bei Patienten mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus und in der Finanzierung der medizinischen Behandlung.

Schlussfolgerung:

Offensichtlich verunsichert der vermeintlich kulturell fremde Hintergrund der Patienten viele Versorgende. Bei den Befragten wurden diese Unsicherheiten als ein Konflikt erlebt, der Anspruch und Wirklichkeit der Palliativversorgung als Kontrast thematisiert. Die Versorgenden entwickelten Strategien, die als Erweiterung des eigenen Aufgabengebiets und z.T. als Belastung gesehen wurden. Für eine angemessene palliativmedizinische Behandlung und Begleitung in der letzten Lebensphase sollte es wichtig sein, die Grenzen der Strategien nicht den Patienten, sondern unzureichenden Versorgungsstrukturen zuzurechnen, die eng an politisch-soziale Strukturen gebunden sind.