Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2018; 28(05): 306
DOI: 10.1055/s-0038-1673269
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuromuskuläre Elektrostimulation verbessert das Gangbild einer Patientin mit spastischer Paraparese – ein Fallbericht

T Hasenöhrl
1   Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien
,
W Mayr
2   Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, Medizinischen Universität Wien
,
M Dimitrijevic
3   Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA
,
S Palma
1   Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien
,
C Ambrozy
1   Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien
,
R Crevenna
1   Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
11 October 2018 (online)

 

Hintergrund:

Bei der an dieser Stelle vorgestellten Patientin wurde im Jahr 2011 eine spastische Paraparese unbekannter Ätiologie diagnostiziert, die sich davor klinisch über eine langsam zunehmende spastisch-ataktische Gangstörung unbekannter Genese bemerkbar gemacht hat. Aufgrund einer spürbar fortschreitenden Verschlechterung der Gehfähigkeit stand die Patientin 2017 kurz davor ihre selbständige Gehfähigkeit zu verlieren.

Die Patientin wurde im Rahmen einer Kooperation mit dem Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der Medizinischen Universität Wien sowie dem Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA mit einer experimentellen funktionellen Elektrostimulationsbehandlung (FES) behandelt (30 Minuten kontinuierliche elektrische Stimulation von N. tibialis und M. gastrocnemius, biphasische Rechtecksimpulse mit 400µs Dauer, Frequenz 30 Hz, Intensität an der sensiblen Schwelle). Zielsetzung der FES war eine Detonisierung der hypertonen Wadenmuskulatur sowie eine Aktivierung der hypotonen Muskulatur der Vorfußheber, um ein sichereres Gangbild und den Erhalt der Gehfähigkeit im Alltag zu erreichen. Die FES erfolgte auf der linken Beinseite.

Methode:

Die Messung des Gangbildes erfolgte im Ganganalyselabor der Klinik für PMR&A der Medizinischen Universität Wien mittels videobasierter 3D-Technik vor, während und nach der Stimulation (pre-STIM, STIM, post-STIM).

Ergebnisse:

Im Sprunggelenk der linken Beinseite zeigte die Patientin während der Einbeinunterstützungsphase im Vergleich zur pre-STIM in STIM eine deutlich vergrößerte Dorsalextensionsbewegung im stimulierten Bein. In post-STIM ist dieser Effekt bereits etwas zurückgebildet, aber eindeutig noch sichtbar. Diese Bewegungsmuster spiegeln sich auch im Kniegelenk wieder, wo die Knieflexion zeitgleich analog ansteigt. Dynamisch zeigt sich im linken Sprunggelenk in STIM und post-STIM ein Anstieg des Dorsalextensionsdrehmoments.

Schlussfolgerung: Der Anstieg des Dorsalextensionsdrehmoments im linken Sprunggelenk wird dadurch erklärt, dass der Kraftansatzpunkt während der Einbeinunterstützungsphase stärker in Richtung Vorfuß wandert. Das passt funktionell zu den zeitgleich erhöhten Dorsalextensions- und Knieflexionswinkeln und wird als eindeutiger Hinweis bewertet, dass die in dieser Gangphase exzentrisch dagegen arbeitende Muskulatur erfolgreich detonisiert werden konnte. Die Wirkung dieser Stimulation ist unmittelbar sowie verringert auch im Anschluss messbar.