Balint Journal 2018; 19(03): 98-99
DOI: 10.1055/s-0038-1673743
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IFA-Kongress in Prien am Chiemsee

Further Information

Publication History

Publication Date:
24 September 2018 (online)

Der Kongress stand in diesem Jahr unter dem Titel: „Brücken bauen – Balint und IFA-Gruppen im Dialog“. Von Freitag 15.6. bis Sonntag 17.6. fand in der Klinik St. Irmingard in Prien am Chiemsee der 3. IFA-Kongress statt. Der 1. IFA-Kongress fand 2014 in Berlin statt und wurde im Jahr 2016 vom 2. IFA-Kongress in Erfurt gefolgt. Die Interaktionsbezogene Fallarbeit (IFA) ist die verhaltenstherapeutische Variante der tiefenpsychologischen Balint-Gruppenarbeit, die bereits seit 50 Jahren fest in der Weiterbildungsordnung der Ärzte in psychotherapeutischer Ausbildung verankert ist. Seit fast 20 Jahren gibt es inzwischen auch die sogenannte IFA-Gruppe. In Balint- oder IFA-Gruppen werden Probleme in der Beziehung mit Patienten oder deren Angehörigen in einer speziellen Gruppensitzung, bestehend aus Ärzten und Psychologen gemeinsam besprochen.

Die Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT), deren Präsident seit 5 Jahren Dr. med. Christian Ehrig ist, engagiert sich intensiv in der Verbreitung und Ausbildung dieser speziellen Form der Gruppenarbeit. Sie ist gemeinsam mit dem Verband für Integrative Verhaltenstherapie (VIVT) auch der Hauptveranstalter des diesjährigen IFA-Kongresses. Der Vorsitzende des VIVT Herr Dipl.-Psych. Johannes Grünbaum eröffnete gemeinsam mit Herrn Dr. Ehrig, der Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Psychosomatik und Psychotherapie in der Klinik St. Irmingard ist, die Tagung. Anschließend wurden die Teilnehmer durch den Geschäftsführer der Klinik Herrn Dietolf Hämel begrüßt.

Die Teilnehmer kamen aus dem gesamten Bundesgebiet, der Schweiz und Österreich und waren zum Großteil bereits anerkannte IFA- oder Balint-Gruppenleiter, bzw. befinden sich in der jeweiligen Leiterausbildung. Der Kongress bot diesmal eine Premiere und stand mit dem Motto „Balint- und IFA-Gruppe im Dialog“ für einen sehr großen Schritt der Annäherung zwischen den beiden wichtigsten Psychotherapiemethoden in Deutschland. Nach Jahren intensiver Diskussion hatten sich die Deutsche Balint-Gesellschaft, die DÄVT und der VIVT Anfang des Jahres auf eine Kooperationserklärung geeinigt. Teile der darin enthaltenen Absprachen und Qualifikationsmöglichkeiten im jeweils anderen Gruppenleiterverfahren konnten erstmalig im Rahmen dieses Kongresses erworben werden. Diese Regelung gilt für alle durch die 3 Gesellschaften anerkannten Balint- bzw. IFA-Gruppenleiter.

Seit dem letzten IFA-Kongress vor 2 Jahren wurden von den beteiligten Gesellschaften bereits mehrere gemeinsame Symposien auf den DGPM-Tagungen in Berlin 2017 und 2018 veranstaltet und zur Publikation im ersten gemeinsam gestalten Balint-Journal (Heft 4/2017) veröffentlicht. Ende Juli ist ein neues Buch zur IFA-Gruppenarbeit auf den Markt gekommen:

Mechthild Kerkloh: Interaktionsbezogene Fallarbeit: Ein praxisorientiertes Handbuch. Stuttgart: Kohlhammer Verlag, ISBN: 978-3170320536

Den Eröffnungsvortrag hielt Herr Prof. Dr. Dr. Serge Sulz (München und Universität Eichstätt) zum Thema „Entwicklung und IFA-Gruppenarbeit“. Er war lange Zeit Präsident der DÄVT und einer der Mitbegründer der IFA-Gruppenarbeit und Herausgeber des ersten IFA-Lehrbuchs. Mit seinem Vortrag setzte er neue Impulse für die Weiterentwicklung der IFA-Arbeit. Im zweiten Vortrag referierte der 2. Vorsitzende der Deutschen Balint-Gesellschaft Herr Dr. Peter Stammberger aus Stuttgart zum Thema „Die Dimensionen der Balint-Gruppenarbeit“. Er forderte in seinem pointierten Vortrag mehr Zeit für die „sprechende Medizin“, daher mehr Zeit für die „Kunst des ärztlichen Gesprächs“, die unter dem Einfluss von DRGs, PEPP-System, Leitlinienarbeit usw. gerade in Deutschland deutlich zu kurz kommt.

Der IFA-Kongress ist letztlich ein „Mitmach-Kongress“, im dem eine intensive Gruppenarbeit in vier verschiedenen Gruppen auf unterschiedlichen Ausbildungsniveaus über alle 3 Tage hinweg stattfand. Dieses hohe Maß an kollegialer Interaktion sorgte für eine sehr angeregte aber zugleich entspannte Atmosphäre. Die gemeinsame Abendveranstaltung am Freitagabend auf der Terrasse eines nahegelegenen Restaurants, die neben einem fantastischen Panoramablick über den Chiemsee und auf die Bergkette sowie besten Sommerwetter stattfand, rundete den ersten Tag ab.

Der Samstagvormittag startete mit einer Demonstration der IFA-Gruppenarbeit im Forum. Herr Grünbaum leitete eine sehr dynamische und interaktive IFA-Gruppe mit 8 Teilnehmern an, der die anderen Kongressteilnehmer aus dem Außenkreis zusehen durften. Für „Balintjaner“ dürfte der Umgang mit dem fallvorstellenden Kollegen, der gemeinsam mit dem Gruppenleiter den Gruppenprozess von außerhalb der Gruppe beobachten durfte und mit Unterstützung und Vermittlung des Gruppenleiters auch korrigierend in die Gruppenarbeit eingreifen durfte, eine ziemlich neue und überraschende Arbeitsweise darstellen.

Anschließend wechselten wir wieder in den theoretischen Teil der Tagung mit zwei weiteren Vorträgen. Frau Dipl. Psych. Mechthild Kerkloh (Berlin), Präsidentin der IFA-Gesellschaft führte mit Ihrem Vortrag in die theoretischen Hintergründe der IFA-Gruppenarbeit ein und erläuterte „Die Bedeutung des Ebenen-Wechsels in der IFA-Gruppenarbeit“. Herr Dr. med. Frank Udo Stepputat (Traunstein) regte sehr praxisnah und mit konkreten Übungsvorschlägen zur Integration von „Achtsamkeit und IFA-Gruppenarbeit“ an. Auch dieser Ansatz ist ein weiterer Versuch der Auseinandersetzung der IFA-Gruppenarbeit mit den sogenannten 3. Welle-Verfahren der Verhaltenstherapie. Nach weiteren Gruppensitzungen gab es am Abend erneut Gelegenheit zum kollegialen und persönlichen Austausch in der entspannten Atmosphäre des Klinik Cafés.

Der Sonntag schließlich stand ganz im Rahmen der weiterführenden Gruppenarbeit. Hier hatten vor allem die Verhaltenstherapeuten die Möglichkeit, einer Balint-Großgruppe beim Arbeiten zuzusehen. Dieses direkte Miterleben der Gruppenarbeit in der jeweils anderen Methode hat sich als Lernmöglichkeit hervorragend bewährt. Die Kongressteilnehmer konnten „live verfolgen“, wo genau die Unterschiede im Ablauf, dem Zugang und der Bearbeitung der präsentierten Fälle liegen und wie sehr sich die verhaltenstherapeutischen und tiefenpsychologischen Gruppenprozesse doch unterscheiden. Im direkten Vergleich passiert dabei wirklich Spannendes, das bei aller Unterschiedlichkeit erstaunlicherweise doch zu sehr ähnlichen Ergebnissen führt. Der Diskussion über die verschiedenen Verfahrensweisen und Stile sollten wir bei weiteren Tagungen dieser Art sicher mehr Raum geben.

Die Anwesenden zeigten sich übereinstimmend sehr angetan vom Kongressverlauf. Die angenehme Atmosphäre der Klinik, ihre Lage direkt am Chiemsee, die gute Mischung aus Theorie und Praxis sowie viel Zeit für den kollegialen Austausch gefielen allen Teilnehmern.

Dr. med. Christian Ehrig
Präsident der DÄVT
Chefarzt der Klinik St. Irmingard
Bach 1
83253 Rimsting
Tel.: 08051/ 65371
christian_ehrig@hotmail.com

Dipl.-Psych. Johannes Grünbaum
1. Vorsitzender des VIVT
Logenstraße 18
15907 Lübben
Tel.: 03546/185315
info@ivt-psychotherapie.de