Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(01): 97
DOI: 10.1055/s-0038-1676889
Wissenschaftliche Sitzung am 19.09.2018
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Palliative Versorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit

L Garten
1   Klinik für Neonatologie Charité Universitätsmedizin
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
17 January 2019 (online)

 

Eine bedeutende Subpopulation unter Neugeborenen, die nach primärer Palliativversorgung bereits im Geburtsraum versterben, sind extrem unreife Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit (Gestationsalter 22 0/7 bis 23 6/7 SSW nach Definition AWMF Leitlinie 024 – 019). Droht eine Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit, obliegt es nach aktueller AWFM Leitlinie den Eltern, sich nach ausführlicher Aufklärung für den postnatalen Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen oder für eine primäre, postnatale Palliativversorgung ihres Kindes zu entscheiden. Folgende Aspekte werden von betroffenen Eltern als essentiell für eine gelungene Palliativbetreuung genannt:

  • Gewährleistung einer multiprofessionellen und kontinuierlichen Betreuung der Betroffenen

  • offene, empathische und sich am Bedarf der Eltern orientierende Informationsvermittlung

  • sorgfältige und interdisziplinär geführte Planung der Geburt und der postnatalen Versorgung des Kindes – diese Planung sollte im besten Interesse des Kindes und unter Berücksichtigung der Wertvorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse der Eltern erfolgen

  • genaue Koordination aller in die Betreuung involvierten Behandler sowie der medizinischen und pflegerischen Abläufe

  • adäquate Symptomkontrolle in der Sterbephase für das Neugeborene

  • Schaffen wertvoller Erinnerungen für die betroffene Familie

  • Trauerbegleitung der früh verwaisten Eltern.

Ungestörter Körperkontakt zu den Eltern, der konsequente Verzicht auf invasive Diagnostik und Therapie sowie eine Reduktion äußerer Stressoren (z.B. grelles Licht oder Lärm) sollten die Basis einer primären palliativmedizischen Begleitung von extrem kleinen Frühgeborenen im Geburtsraum bilden. Während eines unmittelbar postnatal einsetzenden Sterbeprozesses besteht bei vaginal geborenen Neugeborenen und für extrem unreife Frühgeborene eine gewisse physiologische Analgosedierung durch hohe Vasopressinspiegel, Hyperkapnie und Hypoxie. In Kombination mit dem konsequenten Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen reicht dies in den meisten Fällen für eine adäquate Symptomkontrolle aus, falls nicht, empfiehlt sich primär der Einsatz von intranasal appliziertem Fentanyl. Die Verantwortung für eine primäre Palliativbegleitung im Geburtsraum endet nicht mit dem Tod des Kindes. Sie soll eine weiterführende Begleitung früh verwaister Eltern aus der Klinik in einen gesicherten Alltag mit bedarfsorientierten Unterstützungsangeboten beinhalten.