Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(01): 98
DOI: 10.1055/s-0038-1676891
Wissenschaftliche Sitzung am 19.09.2018
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention der drohenden Frühgeburt durch frühzeitigen Muttermundsverschluss (TMV)

B Ramsauer
1   Klinik für Geburtsmedizin Vivantes Neukölln, Berlin
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Publication Date:
17 January 2019 (online)

 

Eine der Hauptursachen einer extremen Frühgeburt oder eines Spätabort liegt in den Pathomechanismen einer aszendierenden Infektion mit der vermittelten Ausschüttung von Cytokinen und Prostglandinen. Es resultiert eine Verkürzung der Zervix, vorzeitige Wehentätigkeit oder ein vorzeitiger Blasensprung.

Begünstigt werden aufsteigende Infektionen durch eine gestörte Vaginalflora, einen unzureichenden Verschlussmechanismus der Zervix, bedingt durch fehlenden oder unzureichenden Zervixschleim, anatomischen Besonderheiten nach Operationen an der Zervix, wie Konisationen, multiple Hegardilatationen, vorhandener Emmetriss, Zervixpolypen, schwere Bindegewebserkrankungen wie ein Marfansyndrom oder die echte Zervixinsuffizienz. Das anamnestische Risiko nach stattgehabtem Spätabort im II. Trimenon für einen erneuten Spätabort liegt bei 28%, für eine Frühgeburt bei 32%. Nach spontaner Frühgeburt ist in 40% der Fälle erneut mit einer Frühgeburt zu rechnen.

Auf dieser Grundlage entwickelte Prof. Erich Saling in den 80-er Jahren die Operationsmethode des vollständigen Muttermund-Verschlusses und konnte damit eine primäre Prävention für Spätaborte/Frühgeburten erreichen. Mit einer Modifikation der Methode wurde diese Operation bei über 1800 Patientinnen durchgeführt mit einer Häufigkeit von inzwischen über 280 Operationen pro Jahr.

Durch diese Intervention ist nicht nur eine primäre, sondern auch eine sekundäre Prävention eines Spätabortes/Frühgeburt möglich. Wir unterschieden deshalb zwischen dem primären TMV und dem sekundären TMV.

Beim primären TMV wird vorzugsweise bei 13 SSW die Operation durchgeführt, die Haupt-Indikation ist hier die belastete Anamnese eines stattgehabten Spätabort nach 16 SSW oder einer extremen Frühgeburt < 28+0 SSW. Beim sekundären TMV, der bis 24+0 SSW durchgeführt wird, ist es bereits zu einer Verkürzung der Zervix oder sogar Eröffnung des Muttermundes gekommen. Beide operative Interventionen haben zur Grundlage, dass eine vollständige Barriere gegenüber aufsteigenden Bakterien Richtung Uteruscavum erreicht wird. Darin liegt der Unterschied zu einer Cerclage oder dem Wirkmechanismus einer Pessartherapie. Das oberflächliche Epithel des Zervikalkanals wird mit einer feinen Fräse behutsam angeraut und die dadurch hergestellte künstliche Wunde wird in mehreren Schichten, mit resorbierbaren Nähten wieder verschlossen. Es kommt dabei nicht zu einem Verlust von Gewebe, sodass auch in folgenden Schwangerschaften diese Methode erneut durchgeführt werden kann. Vor der Durchführung dieses Eingriffes muss die Besiedelung von pathogenen Keimen im Operationsgebiet ausgeschlossen sein, da eine Infektion im Rahmen des Eingriffes das Hauptrisiko darstellt. Auch sollte nach der Operation weiter auf eine reguläre Vaginalflora geachtet werden und diese ggf. durch probiotische Behandlung unterstützt werden.

Die weitere Schwangerschaft verläuft nahezu normal. Bis zum Abschluss der Wundheilung sollten keine vaginalen mechanische Irritationen erfolgen. Eine körperliche Belastung im Rahmen einer normalen Schwangerschaft ist genauso möglich wie eine vaginale Geburt. Eine Eröffnung, der sich ausgebildeten Narbe vor der Geburt ist nicht Indiziert. Mit dieser Methode konnte in über 90% der Fälle einen Entbindung nach 34+0 SSW erreicht werden, die meisten Patientinnen erreichen den Geburtszeitraum nach 37+0 SSW.