Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2019; 47(04): 267
DOI: 10.1055/s-0039-1692755
Was kann moderne Tierzucht leisten?
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herausforderungen der Legehennenzucht – Leistungssteigerung oder Zweinutzung?

R Preisinger
1   EW GROUP GmbH, Visbek
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Publication Date:
21 August 2019 (online)

 

Seit mehr als 80 Jahren verfolgt die Legehennenzucht ein spezialisiertes und von der Broilerzucht völlig unabhängiges Kreuzungszuchtprogramm. Zuchtziele orientieren sich sowohl an regionalen als auch internationalen Marktbedürfnissen mit steigender Bedeutung der Alternativhaltung für Europa und Nordamerika. Grundsätzlich werden alle reinen Linien ausschließlich auf Eileistung, Eiqualität und Futtereffizienz selektiert. Die züchterische Verbesserung von Vitalität, Befiederung und Tierverhalten basiert auf einer umfassenden Feldprüfung der Kreuzungsnachkommen unter verschiedenen klimatischen Bedingungen mit unterschiedlichen Haltungsformen. Der Selektionsindex kombiniert Leistungsdaten aus der Reinzucht und Kreuzungszucht. Wegen der fehlenden Eigenleistung ist die Selektion der Hähne durch die genomischen Informationen wesentlich genauer geworden und kann früher erfolgen.

Bereits in der Aufzucht werden die Reinzuchthähne mittels ca. 50000 Markern je Tier vorselektiert und unmittelbar nach der Geschlechtsreife an geprüfte Hennen angepaart. Für umfassendere genetische Studien stehen bis zu 500000 Marker je Tier zur Verfügung. Durch die Spezialisierung der Zucht in den 1960er Jahren liegt das aktuelle genetische Leistungsniveau der Legehennen bei über 340 Eier im 1. Legejahr. Dabei legt ein Großteil der Hennen über 70–100 Tage jeden Tag ein Ei und nach einer nur eintägigen Pause für erneut 50 Tage täglich ein Ei mit intakter Schale.

Gezielt für die Alternativhaltung wird die Nestgängigkeit inklusive Legeleistung und Eiqualität mittels Transpondertechnologie in der Reinzuchtpopulation erfasst. Verhaltenstests und Bonitur der Befiederung erfolgen in unterschiedlichen Gruppengrößen und bei unterschiedlicher Nährstoffversorgung. Die Selektion auf Schnabelform und -länge soll die Gefahr von Kannibalismus und Gefiederschäden weiter reduzieren. Dies ist besonders wichtig für den kommenden Ausstieg aus dem Schnabelkürzen in Europa und der zunehmenden Bedeutung von Bio- und Freilandhaltung.

Besonders in der Alternativhaltung kommt es zu Knochenbrüchen. Über eine ultraschallbasierte Messung der Knochendichte sowie der Bonitur der Brustbeinveränderungen lässt sich die Knochenstabilität züchterisch verbessern.

Als Folge dieser auf Effizienz und Tierverhalten ausgerichteten Zucht und der starken negativen genetischen Korrelation zwischen Eileistung und Brustfleischansatz können männlichen Legehybriden nicht zur regulären Fleischerzeugung genutzt werden. Sie werden deshalb weltweit als Eintagsküken getötet. Zweinutzungstiere würden der Erwartungshaltung der Gesellschaft am besten gerecht werden. Da deren geringerer Fleischansatz mindestens eine 2–3 Wochen längere Mast mit deutlich niedrigerem Brustfleischanteil und einen wesentlich höheren Futtereinsatz nach sich zieht, schneidet diese Züchtungsform für die breite Praxis aus. Auch die Schwestern legen ca. 60 Eier weniger pro Jahr und die Eier sind außerdem deutlich kleiner. Damit bleibt die Zucht von Zweinutzungshühnern immer ein Kompromiss.

Eine weitere Alternative bietet die Aufzucht der Bruderhähne. Die seit 2 Jahren in Österreich im Biobereich flächendeckend praktizierte Aufzucht der Hähne bis ca. 1 kg Lebendgewicht und Verwertung als Verarbeitungsfleisch erscheint wesentlich effizienter. Die Vermarktung der Eier subventioniert die Aufzucht der Hähne und das Verfahren behält seinen Vorteil der futtereffizienten Eiererzeugung in optimaler Qualität.

Als weitere Alternative werden derzeit verschiedene Formen der Geschlechtsbestimmung im Ei verfolgt. Aus dem endokrinologischen Ansatz am 9. Bruttag der Firma SELEGGT wurden bereits die ersten Eier auf den Markt gebracht. Der spektroskopische Ansatz am 4. Bruttag der Firma AAT strebt in diesem Jahr die Testphase in einer kommerziellen Brüterei an. Weitere Ansätze, die auf Magnetresonanztomografie oder Gene Editing beruhen, haben das Stadium der Grundlagenforschung noch nicht überschritten.

Die Versorgung der Weltbevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln bei gleichzeitiger Schonung der immer knapper werdenden Ressourcen ist das vorrangige Ziel. Die Selektionsschwerpunkte konzentrieren sich deshalb auf eine verbesserte Schalenstabilität und längere Haltungsperioden bei gleichzeitig stabiler Befiederung und Minimierung der Abgangsraten. Die genomische Selektion ermöglicht eine frühere und genauere Selektion für alle Merkmalsbereiche. Im Biobereich werden männliche Legehybriden zukünftig aufgezogen und mittelfristig erfolgt im deutschsprachigen Raum die Sortierung der Geschlechter im Brutei. Zweinutzungstiere werden es sehr schwer haben, das Stadium der Kleinstnische zu verlassen, da die Futtereffizienz sowohl beim Broiler als auch bei den Legehennen sehr schlecht ist. Die Verbraucherakzeptanz und deren Kaufkraft entscheiden letztendlich, welche Formen der Eierproduktion welche Bedeutung erlangen werden.