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DOI: 10.1055/s-0039-1693876
Diagnose und interdisziplinäres Management einer akuten myeloischen Leukämie im Wochenbett
Publication History
Publication Date:
12 August 2019 (online)
Hintergrund:
Die akute Leukämie in der Schwangerschaft ist eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von 1: 75.000 bis 100.000 Schwangerschaften. In der Schwangerschaft werden hauptsächlich akute Leukämien diagnostiziert. Ungefähr ein Drittel der Fälle sind akute lymphatische Leukämien (ALL), die akute myeloische Leukämie (AML) macht in etwa zwei Drittel der Fälle aus. Die Diagnose einer Leukämie während der Schwangerschaft ist schwieriger als außerhalb der Schwangerschaft, da klassische Symptome wie Anämie oder Thrombozytopenie auch während der Schwangerschaft häufig auftreten.
Das Vorhandensein von zirkulierenden Blasten erhärtet das Vorhandensein einer malignen hämatologischen Erkrankung und macht weitere diagnostische Abklärung notwendig.
Eine in der Schwangerschaft oder im Wochenbett diagnostizierte akute Leukämie muss umgehend therapiert werden. Dabei spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit eine große Rolle.
Fallbericht:
Eine 26-jährige IV Gravida I Para stellt sich in der 37+2 Schwangerschaftswoche mit beginnender Wehentätigkeit vor. Die Patientin ist bereits bekannt, da beim Feten der Verdacht auf eine cerebrale Ventrikulomegalie, eine Corpus-Callosum-Hypoplasie sowie ein Polyhydramnion bestehen. Ansonsten ist der Schwangerschaftsverlauf unauffällig. Bei der Patientin bestehen keine relevanten Vorerkrankungen. Es kommt zur komplikationslosen Spontangeburt eines vitalen Mädchens (Gewicht 2.660 g, Länge 50,0 cm, Kopfumfang 33,0 cm, APGAR 9/9/10, NapH 7,37, BE +1,8).
Im unmittelbar präpartal abgenommenen Routineblutbild werden auffällige Zellen festgestellt, woraufhin ein Differentialblutbild durchgeführt wird. Es zeigt sich Blastenanteil von 52% und der Verdacht auf eine akute Leukämie wird gestellt. Umgehend wird mit den Kollegen der Hämatologie Kontakt aufgenommen. Am 2. postpartalen Tag wird eine komplikationslose Knochenmarkspunktion durchgeführt. Es zeigt sich ein hyperplastisches Knochenmark mit 66,5% Blasteninfiltration, passend zum morphologischen Bild einer akut myeloischen Leukämie. In der molekulargenetischen Untersuchung findet sich eine Positivität für FLT3-ITD sowie eine NPM1-Mutation A. In der konventionellen Chromosomenanalyse zeigt sich eine Deletion an 3 p.
Eine interdisziplinäre Betreuung mit Hämatologie, Endokrinologie, Psychologie und Gynäkologie wird umgehend veranlasst.
Vor der geplanten Chemotherapie erfolgt sekundäres Abstillen. Zusätzlich erhält die Patientin Decapeptyl Depot 3,75 mg zur Fertilitätsprotektion. Im Anschluss wird die Patientin an die Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie transferiert, wo nach entsprechender Aufklärung und Einverständniserklärung die Chemotherapie nach 3+7 Schema mit Daunorubicin 60 mg/m2 Körperoberfläche und Cytarabin 200 mg/m2 Körperoberfläche begonnen wird. Bei FLT3-Positivität wird zusätzlich Midostaurin verabreicht. Aufgrund von verstärkten Wochenbettblutungen erhält Patientin Orgametril sowie Cyklokapron. Begleitend zur Erstdiagnose wird eine Geschwistertypisierung durchgeführt. Bei nicht HLA identem Bruder, wird eine Fremdspendersuche eingeleitet.
Fazit:
Maligne hämatologische Erkrankungen in der Schwangerschaft sind selten. Eine akute Leukämie in der Schwangerschaft oder im Wochenbett ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die sowohl einen umgehenden Behandlungsbeginn als auch eine weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert.
Quellen:
[1] S. Ali et al. 2015. Guidelines for the diagnosis and management of acute myeloid leukaemia in pregnancy. British Journal of Haematology, 2015, 170, 487 – 495
[2] Hurley T.J. et al. 2005. Hematologic malignancies in pregnancy. Obstetric and Gynecology Clinics of North America, 32, 595 – 614.
[3] Sedlacek L. et al. 2013. AML in der Schwangerschaft: Fallvorstellung. Z Geburtshilfe Neonatol. 2013; 217 – V 26.5