Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(08): 881
DOI: 10.1055/s-0039-1693877
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Case Report: Symphysen-Sprengung sub partu bei Spontanpartus in der 40+2 SSW

M Riedel
1   Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
,
J Ortiz
1   Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
,
S Lobmaier
1   Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
,
K Abel
1   Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
,
B Kuschel
1   Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
12 August 2019 (online)

 

Fallvorstellung:

Eine 33-jährige Primigravida (72,4 kg, präkonzeptionell normalgewichtig) stellt sich am ET+2 nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf mit Wehenbeginn und einem MM-Befund von 3 – 4-cm im Kreißsaal vor. Nach adäquatem Geburtsfortschritt Beginn der Austreibungsperiode und Pressphase; das kindliche Köpfchen steht nach etwa 1h 20 Minuten auf I+3. Während einer Presswehe schreit die Patientin plötzlich vor Schmerz auf, sie habe ein Krachen im Symphysenbereich verspürt – ab diesem Moment Schmerzangabe mit extrem berührungsempfindlicher Symphyse. Entbindung nach Anlegen einer mediolateralen Episiotomie (Mädchen, 3870 g, KU 35,5 cm, APGAR 10/10/10, pHart 7,29). Sofort beklagt die Patientin zunehmende Beschwerden im Bereich der Symphyse mit starker funktioneller Einschränkung der Beinmobilität. Naht der Episiotomie unter starker iv-Analagosedierung. Im Becken-Röntgen zeigt sich bei deutlich erweitertem Symphysenspalt (32,1 mm, Abb. 1) die Diagnose der traumatischen Symphysen-Sprengung sub partu. Therapeutisch ist ein konservatives Vorgehen mit absoluter Bettruhe, Analgesie und Beckengurt zunächst erfolgt. Die Entlassung konnte – immobil – neun Tage nach Entbindung erfolgen. Im Kontroll Röntgen-Becken ein Monat nach Entbindung zeigte sich bei der noch bettlägerigen Patientin der Symphysenspalt rückläufig (19,7 mm, Abb. 2). Physiotherapeutische Maßnahmen konnten erst weitere 2 Wochen später begonnen werden. Im Verlauf kam es zu einer raschen Besserung der Schmerzen, erste eigene Gehversuche ohne Gehhilfen waren etwa 2 Monate post partum möglich. Drei Monate nach Entbindung zeigte sich der Symphysenspalt weiter rückläufig (14 mm, Abb. 3) und die Patientin war fast beschwerdefrei und wieder im Alltag mobil.

Diskussion:

Die traumatische Diathese der Symphyse im Rahmen der vaginalen Entbindung gehört zu den seltenen, jedoch schweren Komplikationen [1]. Kommt es unter Geburt zu einer übermäßigen Dehnung mit Symphysen-Sprengung tritt eine sofortige starke Schmerzsymptomatik im Symphysenbereich mit Einschränkung der Mobilität in der Hüfte und LWS ein. Als Risikofaktoren sind Primigravidität, protrahierte Geburt, Makrosomie und vaginal-operative Entbindungen beschrieben [2]. Im Unterschied zu bereits publizierten Fallbeschreibungen zeigten sich in unserem Fall interessanterweise sowohl prä- als auch intrapartal keine eindeutigen Risikofaktoren für eine Symphysen-Sprengung [3,6,7,8]. Die Inzidenz wird in der Literatur mit 0,005 – 0,8% aller Lebendgeburten angegeben; von einer hohen Anzahl nicht diagnostizierter Ereignisse ist jedoch auszugehen [3]. Das therapeutische Management dieser Patientinnen ist in den meisten Fällen konservativ mit mechanischer Kompression durch Becken-Gurte und Analgesie. Der Verlauf kann mit funktioneller Einschränkung in den ersten Monaten des Wochenbetts sehr protrahiert sein. In seltenen Fällen ist eine operative Fixierung bei Versagen der konservativen Therapie oder bei Eröffnung des Symphysenspalts > 4 cm indiziert [4]. Generell ist die langfristige Prognose wie in unseren Fall mit Institutio ad integrum in den allermeisten Fällen sehr gut. Eine Aufklärung über ein hohes Wiederholungsrisiko mit 68 – 85% im Falle einer erneuten Gravidität sollte erfolgen [5].

Quellen:

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[2] Chawla JJ, Arora D, Sandhu N, Jain M, Kumari A. Pubic Symphysis Diastasis: A Case Series and Literature Review. Oman Med J. 2017; 32(6):510 – 514. doi:10.5001/omj.2017.97

[3] Pires R, Labronici PJ, Giordano V, et al. Intrapartum Pubic Symphysis Disruption. Ann Med Health Sci Res. 2015;5(6):476 – 479. doi:10.4103/2141 – 9248.177980

[4] Rommens PM. Internal fixation in postpartum symphysis pubis rupture: report of three cases. J Orthop Trauma. 1997;11:273 – 6.

[5] Jain S, Eedarapalli P, Jamjute P, Sawdy R. Symphysis pubis dysfunction: a practical approach to management. The Obstetrician & Gynaecologist. 2011 Jan;24(8(3)):153 – 158

[6] Cowling PD, Rangan A. A case of postpartum pubic symphysis diastasis. Injury 2010. Jun;41(6):657 – 659. 10.1016/j.injury.2010.01.112

[7] Khorashadi L, Petscavage JM, Richardson ML. Postpartum symphysis pubis diastasis. Radiol Case Rep 2015. Nov;6(3):542. 10.2484/rcr.v6i3.542

[8] Nitsche JF, Howell T. Peripartum pubic symphysis separation: a case report and review of the literature. Obstet Gynecol Surv 2011. Mar;66(3):153 – 158. 10.1097/OGX.0b013e31821f84d9