Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696112
Symposien
S08  Überblick über experimentalpsychologische Studien bei verschiedenen Internetnutzungsstörungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interaktion von Impulsivität und kognitiven Fähigkeiten bei der pathologischen Nutzung von sozialen Medien

E Wegmann
Allgemeine Psychologie: Kognition und Center for Behavioral Addiction Research, Universität Duisburg-Essen
,
SM Müller
Allgemeine Psychologie: Kognition und Center for Behavioral Addiction Research, Universität Duisburg-Essen
,
M Brand
Allgemeine Psychologie: Kognition und Center for Behavioral Addiction Research, Universität Duisburg-Essen
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Soziale Medien wie Facebook, WhatsApp und Instagram sind heutzutage zentrale Bestandteile des Alltags. Neben den vielen Vorteilen der Smartphone-Nutzung wird jedoch auch eine ständige Verfügbarkeit suggeriert. Die Forschung berichtet außerdem von subjektiven Beeinträchtigungen und negativen Konsequenzen aufgrund einer exzessiven Nutzung, welche angelehnt an die Internet-gaming disorder im ICD-11 als Social-Media-Use Disorder bezeichnet werden kann. Parallelen zwischen internetbezogenen Verhaltenssüchten und substanzgebundenen Störungen lassen vermuten, dass sich auch bei der pathologischen Nutzung von Social Media-Anwendungen erhöhte aufmerksamkeitsbezogene Impulsivität, reduzierte Inhibitionskontrolle und beeinträchtigte Exekutivfunktionen als Risikofaktoren identifizieren lassen.

Methode In einer Experimentalstudie (N = 112) wurde die Rolle von Exekutivfunktionen und Inhibitionskontrolle im Kontext der Social-Media-Nutzung untersucht. Dafür wurden neben einer neu entwickelten Social-Media-spezifischen auditiven Go-NoGo-Aufgabe auch weitere neuropsychologische Paradigmen verwendet. Zur Erhebung des Personenmerkmals Impulsivität und zur Messung der Symptomschwere einer Social-Media-Use Disorder wurden verschiedene Fragebögen eingesetzt.

Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, dass die Tendenz einer Social-Media-Use Disorder mit aufmerksamkeitsbezogener Impulsivität einhergeht. Es besteht kein direkter Zusammenhang mit Inhibitionskontrolle und weiteren Exekutivfunktionen. Moderierte Regressionen unterstreichen jedoch, dass eine erhöhte Symptomschwere besonders dann mit erhöhter aufmerksamkeitsbezogener Impulsivität einhergeht, wenn gleichzeitige Beeinträchtigungen in Exekutivfunktionen oder verringerte Inhibitionskontrolle in Bezug auf Social-Media-assoziierte Reize vorliegen.

Diskussion Die Ergebnisse illustrieren die Bedeutsamkeit von Impulsivität bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung einer pathologischen Nutzung von Social-Media-Anwendungen. Darüber hinaus werden theoretische Annahmen hinsichtlich der Interaktion von Personenmerkmalen und kognitiven Fähigkeiten wie Aufmerksamkeitsprozessen als verstärkende Mechanismen im Rahmen des Suchtprozesses gestützt. Der Aufforderungscharakter von Smartphones scheint vor allem für Menschen mit erhöhter Impulsivität und mit Schwierigkeiten bei der Inhibitionskontrolle problematisch werden zu können.