Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696226
Symposien
S37 Neurobiologie zu Verhaltenssüchten
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Impulsives Entscheidungsverhalten bei Verhaltensabhängigkeiten

A Kräplin
1   Technische Universität Dresden
,
M Höfler
1   Technische Universität Dresden
,
S Pooseh
2   Universität Freiburg
,
M Wolff
1   Technische Universität Dresden
,
K Krönke
1   Technische Universität Dresden
,
T Goschke
1   Technische Universität Dresden
,
G Bühringer
1   Technische Universität Dresden
,
MN Smolka
1   Technische Universität Dresden
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Impulsives Entscheiden ist ein Kernmerkmal abhängigen Verhaltens. Ziel dieser Studie war zu prüfen, welche Aspekte impulsiven Entscheidens (1) sich bei Verhaltensabhängigkeiten (VA) gegenüber Substanzabhängigkeiten (SA) im Vergleich zu gesunden Kontrollen unterscheiden und (2) den Verlauf der VA und SA-Symptomschwere vorhersagen.

Methode In einer prospektiven Längsschnittstudie wurden zur Baseline 338 Personen (19 – 27 Jahre, 59% weiblich) aus einer Bevölkerungsstichprobe entsprechend folgender Gruppen eingeschlossen: VA (n = 118), SA (n = 100) und gesunde Kontrollpersonen (n = 120). Zum 1-Jahres Follow-Up wurden 92% erneut untersucht. Mittels Bayesianischer linearer Regression wurden die Wahrscheinlichkeiten dafür geprüft, (1) dass sich VA/SA und die Kontrollgruppe hinsichtlich zeitlicher Diskontierung (Prior: Erwartungswert=.37, Varianz=.02), probabilistischer Diskontierung für Gewinne und Verluste (Prior: je -.16, .02) und Verlustaversion (Prior: -.44, .02) unterscheiden und (2) dass prädiktive Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten impulsiven Entscheidens und der VA/SA-Symptomschwere nach einem Jahr bestehen (Prior: .25, .016).

Ergebnis Eine A-posteriori-Wahrscheinlichkeit von über 95% zeigte sich für folgende Ergebnisse: (1) Verglichen mit der Kontrollgruppe zeigte sowohl die VA als auch die SA-Gruppe eine stärkere zeitliche Diskontierung und eine geringere probabilistische Diskontierung von Verlusten. (2) Sowohl eine erhöhte VA- als auch SA-Schwere nach einem Jahr wurde von einer verminderten Verlustaversion vorhergesagt (95% CI: SA= -.23− -.07; VA= -.16 − .00). Die VA-Symptomschwere wurde spezifisch von einer geringeren probabilistischen Diskontierung von Verlusten vorhergesagt (95% CI = -.17− -.01) während die SA-Symptomschwere spezifisch von einer stärkeren zeitlichen Diskontierung vorhergesagt wurde (95% CI = .12 − .20).

Diskussion (1) VA ist vergleichbar mit SA durch einen verringerten Belohnungsaufschub und eine Abwertung von Verlusten als Aspekte impulsiveren Entscheidens gegenüber Gesunden charakterisiert. (2) Eine verminderte Verlustaversion, als Indikator für Veränderungen der Belohnungs- und Bestrafungssensitivität, sagt sowohl einen negativeren Verlauf von VA als auch von SA vorher. Dagegen sagt die Abwertung von Verlusten spezifisch einen negativeren Verlauf von VA und ein verringerter Belohnungsaufschub einen negativeren Verlauf von SA vorher.