Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696257
Symposien
S45 Merkmale und Charakterisierung von Verhaltenssüchtent
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Charakteristika computerspielabhängiger Patienten

Persönlichkeit, Erwartungen und Stressbewältigungsstrategien
M Pape
1   LWL-Uniklinikum Bochum, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
,
B Reichrath
2   Heinrich-Heine Universität Düsseldorf
,
L Bottel
1   LWL-Uniklinikum Bochum, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
,
J Dieris-Hirche
1   LWL-Uniklinikum Bochum, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Im Jahr 2022 wird voraussichtlich die (Internet) Gaming Disorder (IGD) als erste spezifische Internetabhängigkeit in die 11. Revision des ICD aufgenommen und als Störung im Zuge eines suchtartigen Verhaltens verschlüsselt. Es wird vermutet, dass IGD mit einem charakteristischen Persönlichkeitsprofil, spezifischen Erwartungen an die Nutzung von Computerspielen und maladaptiven Bewältigungsstrategien verbunden ist. Es gibt bisher jedoch kaum klinische Studien, die diese Zusammenhänge untersuchen.

Methodik In einem Querschnittstudiendesign wurden N = 22 männliche Patienten (Mage = 26.09, SD=6.6) mit einer diagnostizierten IGD mithilfe von Selbstbeurteilungsfragebögen befragt und die Ergebnisse mit denen einer Kontrollstichprobe (N = 20) (Mage = 28.15, SD=5.74) verglichen.

Ergebnisse Im Vergleich zu gesunden Probanden (M = 37.95, SD=9.11) zeigten die Patienten (M = 56.41, SD=12,41) signifikant höhere alexithyme Merkmalsausprägungen (TAS-20), t(40)=5.45, p < .001, d = 1.29. Insgesamt berichteten die Patienten (M = 110.68, SD=15.53) keine höhere Impulsivität (UPPS), als die Kontrollprobanden (M = 104.15, SD=14.13), t(40)=1.42, p = n. s. Die Patienten der EG stimmten signifikant stärker zu (M = 18.18, SD=3.90), Onlinespiele aufgrund vermeidender Erwartungen (IUES) zu nutzen, als Probanden der KG (M = 9.20, SD=4.48), t(40)=6.95, p < .001, d = −1.46. Die Teilnehmer der EG gaben an, insgesamt häufiger (M = 22.95, SD=6.15) Gebrauch von maladaptiven Copingmechanismen (Brief-COPE) zu machen, als Probanden der KG (M = 19.20, SD=4.30), t(40)=2.27, p = .029, d = .67. Bei den Patienten war eine positive Erwartung an die Computerspielnutzung (bspw. „um Spaß zu erleben“) mit einer höheren Symptomschwere der IGD assoziiert (r = .44, p = .043).

Diskussion Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Patienten mit einer IGD alexithymere Persönlichkeitszüge haben, häufiger Gebrauch von maladaptiven Copingmechanismen machen und durch die Nutzung von Onlinecomputerspielen erwarten, Herausforderungen und Probleme aus dem Weg gehen zu können. Die Ergebnisse der korrelativen Analysen deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Symptomschwere der IGD und positiven Erwartungen an die Computerspielnutzung hin, müssen aufgrund des inhomogenen Abstinenzverhaltens der Patienten jedoch kritisch hinterfragt werden.