Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696269
Symposien
S48 Therapie und Entwöhnung abhängigen Tabakkonsums
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tabakentwöhnung bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung – Auswertung von Krankenkassendaten

FG Loth
1   TU Chemnitz
,
F Wirth
1   TU Chemnitz
,
C Schwarzbach
1   TU Chemnitz
,
C Frenzel
1   TU Chemnitz
,
D Kressner-Kiel
1   TU Chemnitz
,
J Bickhardt
2   Berufsverband der Pneumologen in Sachsen e. V.
,
T Heindl
2   Berufsverband der Pneumologen in Sachsen e. V.
,
S Mühlig
1   TU Chemnitz
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) wird hauptsächlich durch Tabakrauchen verursacht. Obwohl die Tabakentwöhnung die wirksamste und kosteneffektivste Maßnahme zur Langzeitbehandlung der COPD darstellt, gelingt diese nur einem Teil der Betroffenen, wohingegen 35 – 40% weiter rauchen. Obwohl die Effektivität und klinische Nützlichkeit verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Maßnahmen zur Tabakentwöhnung bei Rauchern mit COPD mit hoher Evidenz belegt sind, sieht die deutsche Gesetzgebung bis dato keine Kostenübernahme für Tabakentwöhnungsmaßnahmen als heilkundliche Kassenleistung vor (SGB V, § 34).

Im Rahmen eines Modellprojekts erhielten 550 Patienten mit drohender oder bestehender COPD eine leitliniengerechte Tabakentwöhnung unter Realbedingungen durch pneumologische Facharztpraxen und psychologische Psychotherapeuten in Sachsen und Thüringen (ATEMM-Studie, Maximalintervention). Erstmals erfolgte eine vollständige Kostenübernahme inkl. medikamentöser Unterstützung im Rahmen der GKV. Patienten eines parallelen Studienarms (n = 257) erhielten als Minimalintervention eine ärztliche Kurzberatung (treatment as usual), evtl. medikamentöse Therapien waren vom Patienten selbst zu finanzieren. Untersucht wurden die Praktikabilität und Akzeptanz der Angebote sowie die Effectiveness, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Interventionsverfahrens in der Routineversorgung. Neben lungenärztlich erhobenen Daten wurden auch Teilnehmerbefragungen sowie Abrechnungsdaten der Krankenkasse ausgewertet.

Nach 12 Monaten war die Hälfte der Teilnehmer (47%) der Maximalintervention nach strengen Kriterien (ärztliche Untersuchung, CO-Messung) rauchfrei (Intention-to-treat: 38%), aber nur 8% in der Minimalintervention (Intention-to-treat 6%). Laut ärztlicher Anamnese liegt bei 22% der Patienten eine psychische Komorbidität vor. Im Fokus dieser Subanalyse steht zum einem der Abgleich der gegenüber der Krankenkasse gemeldeten psychiatrischen Diagnosen. Zum anderen sollen Kosten-Nutzen-Aspekten der Maximalintervention untersucht werden. Anhand der Abrechnungsdaten werden Veränderungen in der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems geprüft

Das Modellprojekt zeigt, dass Patienten mit hoher Akzeptanz die Angebote in Anspruch nehmen, wenn ihnen diese vollfinanziert angeboten werden. Die damit erzielten hohen Abstinenzraten unterstützen die Forderung nach einer vollfinanzierten heilkundlichen Tabakentwöhnung in Deutschland.

Ein krankheitsspezifisches Tabakentwöhnungsangebot inkl. Verhaltenstraining, medikamentöser und telefonischer Unterstützung ist im fachärztlichen Setting praktisch umsetzbar und erzielt hohe und nachhaltige Abstinenzerfolge.