Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2019; 47(05): 380
DOI: 10.1055/s-0039-1697787
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Letale Intoxikation mit L-5-Hydroxytryptophan (5-HTP) bei einem Hund

F Sänger
1   Medizinische Kleintierklinik, Zentrum für klinische Tiermedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
,
H Fischer
1   Medizinische Kleintierklinik, Zentrum für klinische Tiermedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
,
R Dörfelt
1   Medizinische Kleintierklinik, Zentrum für klinische Tiermedizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
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Publication History

Publication Date:
18 October 2019 (online)

 

Signalement und Vorgeschichte:

1-jährige Dalmatinerhündin, 23 kg. Der Patient wurde 3 Stunden nach Aufnahme von 50 Kapseln 5-HTP (100 mg pro Kapsel) in der Klinik vorgestellt. Es handelte sich um ein freiverkäufliches Produkt für den menschlichen Gebrauch ohne Zusatzstoffe. Die Dosis von 217 mg/kg überstieg die in der Literatur beschriebene letale Dosis von 128 mg/kg.

Diagnostische Maßnahmen:

Der Hund wurde mit reduziertem Bewusstsein, Vokalisation, Hypersalivation, Zittern und mydriatischen Pupillen vorgestellt. Die Herzfrequenz betrug 80/min, er hatte hyperämische Schleimhäute, eine kapilläre Füllungszeit von < 1 Sekunde, eine Temperatur von 38,3 °C und hechelte. Bei den initialen Laboruntersuchungen fielen keine massiven Abweichungen auf.

Therapie:

Auf eine initiale intravenöse Therapie mit Ringer-Laktat-Lösung 20 ml/kg und Butorphanol 0,4 mg/kg besserten sich die Symptome geringgradig. Bei der anschließenden Magenspülung wurde kein unphysiologischer Inhalt festgestellt. Da aufgrund der Intoxikation ein Serotoninsyndrom vermutet wurde, erfolgte die Verabreichung von Cyproheptadin 1,1 mg/kg über die Magensonde, um den serotonergischen Effekt des 5-HTP zu antagonisieren. Der Hund wurde mittels EKG, nicht invasiver Blutdruckmessung und Pulsoxymetrie während und auch nach der Anästhesie überwacht. Des Weiteren erfolgte eine intravenöse Lipidapplikation als Bolus (2 ml/kg), gefolgt von einer Dauertropfinfusion (0,25 ml/kg für 1 Stunde). Aufgrund von Muskelspasmen wurde Acepromazin 0,02 mg/kg i.v., gefolgt von einer Dauertropfinfusion (0,02 mg/kg/h) verabreicht. Außer einer zeitweisen Hypotension (mittlerer arterieller Blutdruck 55 mmHg) und Tachykardie (140/min), zeigte der Patient keine weiteren Auffälligkeiten.

Zweieinhalb Stunden nach Ende der Narkose wurde der Hund hypotensiv (mittlerer arterieller Blutdruck 30 mmHg), die Herzfrequenz sank auf 60/min und er entwickelte einen Atemstillstand. Es erfolgte eine kardiopulmonäre Reanimation. Nach 60 Minuten wurde die Reanimation aufgrund fehlenden Ansprechens abgebrochen.

Diskussion:

Dieser Fall zeigt die potenziell lebensbedrohlichen Konsequenzen einer 5-HTP-Intoxikation nach Aufnahme eines freiverkäuflichen Produkts und die Schwierigkeiten im Management dieser Vergiftung. Die genaue Ursache für den Herz-Kreislauf-Stillstand lässt sich abschließend nicht mit Sicherheit bestimmen.