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DOI: 10.1055/s-0039-1697788
Fallbericht einer Ivermectinintoxikation
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
18. Oktober 2019 (online)
Gegenstand und Ziel:
Darstellung und Diskussion intensivmedizinischen Managements eines 10-tägigen komatösen Zustandes nach Ivermectinintoxikation.
Material:
Fallbericht eines 8-jährigen, an Epilepsie erkrankten Collie-Rüden mit MDR1-(+/+)-Defekt nach oraler Aufnahme einer unbekannten Menge Ivermectin bei Entwurmung eines Pferdebestandes.
Fallbeschreibung:
Der Hund zeigte progressive Ataxie, Tremor und Hypersalivation. Fünfzehn Stunden nach Aufnahme entwickelten sich eine hochgradige Hypoventilation, ZNS-Depression bis hin zum komatösen Zustand (Glasgow Coma Scale [GCS] 3). Es folgte ein intensivmedizinisches Management mittels Intubation, maschineller Beatmung, permanentem Monitoring der Vitalparameter, intravenöser Verabreichung von Lipidemulsion, Legen von Harnkathetern, arteriellen Kathetern sowie einer Magensonde (PEG-Tube, FREKA®). Nach 6 Tagen zeigte sich erste Spontanatmungsaktivität, jedoch ohne ausreichende Ventilation. Ab Tag 8 erfolgte eine dauerhafte selbstständige Atmung bei stabilen Vitalparametern. An Tag 10 wurde ein vermehrter Wachheitsgrad (GCS 6) festgestellt, der Rüde konnte extubiert werden. Bakterielle Sekundärinfektionen in Harnblase, Lunge und an der PEG-Tube komplizierten die Rekonvaleszenzphase. Nach 18 Tagen (GCS 17) konnte der Rüde entlassen werden.
Falldiskussion:
In der Literatur ist eine Dauer von 5–7 Tagen komatösen Zustands nach Aufnahme toxischer Dosen Ivermectin beschrieben [1]. Im hier dargestellten Fall verlängerten mehrere Faktoren die Dauer. Es wurde vermutlich eine hohe Dosis ivermectinhaltiger Pferdewurmkur oral aufgenommen. Durch den MDR1-(+/+)-Defekt und den daraus resultierenden Mangel an p-Glykoprotein besteht eine erhöhte Ivermectinsensitivität durch verminderte Ausschleusung des Wirkstoffs über die Blut-Hirn-Schranke [2]. Eine orale Aufnahme führt durch rapide gastrointestinale Absorption insbesondere bei erhöhter Ivermectinsensitivität durch mangelhafte intestinale Ausprägung von p-Glykoprotein zu einer besonders hohen Toxizität [1]. Die Bestimmung des Ivermectin-Plasmaspiegels ist kostenintensiv und bei Vorliegen eines MDR1-Gendefekts klinisch nicht nutzbar, da die Konzentration im Gehirn den Plasmaspiegel übersteigt und keine Aussage über die momentane toxische Wirkung getroffen werden kann [2].
Schlussfolgerung und klinische Relevanz:
Das Management eines komatösen Zustands nach Ivermectinintoxikation ist aufwendig, personal- und kostenintensiv, insgesamt jedoch lohnenswert.
Literatur:
[1] Hopper K, Aldrich J, Haskins SC. Ivermectin Toxicity in 17 Collies. J Vet Intern Med 2002; 16: 89–94
[2] Roulet A, Puel O, Gesta S, Lepage JF, Drag M, Soll M, Alvinerie M, Pineau T. MDR1-deficient genotype in collie dogs hypersensitive to the p-glycoprotein substrate ivermectin. Eur J Pharmacol 2003; 460: 85–91