Die Wirbelsäule 2020; 4(01): 60
DOI: 10.1055/s-0039-3402943
Nachwuchspreis
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

CReMe – Die Untersuchung der cerebralen Reorganisation bei degenerativer cervikaler Myelopathie – eine prospektive, multizentrische Studie

A Zdunczyk
1   Charité Berlin, Klinik für Neurochirurgie, Berlin, Deutschland
,
S Krieg
2   TU München
,
S Ille
2   TU München
,
C Weiss-Lucas
3   Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
,
K Seidel
4   Inselspital Bern, Bern, Schweiz
,
T Picht
1   Charité Berlin, Klinik für Neurochirurgie, Berlin, Deutschland
,
L Kawelke
1   Charité Berlin, Klinik für Neurochirurgie, Berlin, Deutschland
,
P Vajkoczy
5   Charité Berlin, Berlin, Deutschland
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. Februar 2020 (online)

 

Hintergrund Wir stellten zuletzt das Konzept der „Kortikospinalen Reserve bei Patienten mit cervikaler Myeopathie“ (CReMe) vor. Bei Patienten mit einer milden klinischen Symptomatik (JOA > 12) und somit erhaltener Reserve konnte ein vergrößertes Motorareal aufgrund einer erhöhten Rekrutierung supplementärer Motorareale beobachtet werden. Im Gegensatz hierzu wiesen Patienten mit schweren Symptomen (JOA≤12) und aufgehobener Reserve ein reduziertes Motorareal, eine kleinere Reiz-Antwort-Kurve wie auch eine erhöhte Inhibition auf. Diese prospektive, multizentrische Studie wurde nun entwickelt um dieses neue pathophysiologische Konzept zu prüfen.

Methoden Wir konnten 120 Patienten mit degenerativer cervikaler Myelopathie (DCM) aus vier Wirbelsäulenzentren in Deutschland und der Schweiz einschließen. Diese Studie wurde durch eine Forschungsförderung der DWG finanziert. Auf Grundlage des initialen Japanese Orthopedic Association (JOA) Score wurden die Patienten in drei Gruppen aufgeteilt (JOA ≤ 12, 13 – 15, 15 – 17). Die Kortikospinale Erregbarkeit wurde mittels navigierter transkranieller Magnetstimulation (nTMS) anhand der Ruhemotorschwelle (RMT), Reiz-Antwort-Kurve (RC), Innervationsstille (CSP) und der Motor Area bestimmt.

Ergebnisse Die Patienten waren vornehmlich männlich (60%, mittleres Alter 66,6 ± 8,6 J.). Hierbei wiesen 42 (35%) Patienten schwere (JOA ≤ 12), 56 (46%) moderate (JOA 12 – 15) und 22 (18%) milde (JOA 15 – 17) klinisch Symptome auf. Bei Patienten mit moderaten Symptomen (JOA 12 – 15) zeigte sich eine kompensatorisch erhöhte Motorkortex Aktivierung (motor area: p < 0,05, p < 0,05; MW±SA, JOA 12 – 15: 308,5 ± 213,3 vs. JOA ≤ 12: 225,7 ± 159,5) und eine erhaltene kortikospinale Erregbarkeit (RC Kurve p = 0,4, JOA 12 – 15: 10,6 ± 6 vs. JOA 15 – 17: 11,1 ± 5,2). Im Gegensatz hierzu zeigten Patienten mit einer schweren klinischen Symptomatik (JOA ≤ 12) eine reduzierte Erregbarkeit kortiko-kortikaler Axone welche sich in einem erhöhten RMT (p < 0,05; JOA ≤ 12: 43,8 ± 11,4 vs. JOA 15 – 17: 39,2 ± 8,4) widerspiegelte wie auch einer herabgesetzten RC Kurve (p < 0,05; JOA ≤ 12: 8,4 ± 4,8 vs. JOA 15 – 17: 11,1 ± 5,2). Das verkleinerte kortikale Motor Areal (p < 0,05, siehe oben) wies in dieser Gruppe auf eine funktionelle Einschränkung auf kortikaler Ebene hin.

Schlussfolgerung Zusammenfassend konnte unsere prospektive, multizentrische Studie das Konzept der funktionellen Reorganisation bei Patienten mit cervikaler Myelopathie, die „kortikospinale Reservekapazität“ bestätigen. Es konnte dargestellt werden, dass das individuelle Muster der Kompensation einen sensitiven Marker darstellt, um das Krankheitsstadium wie auch eine drohende neurologische Verschlechterung anzuzeigen. Durch diesen innovativen Ansatz, der den Pathomechanismus bei DCM näher darstellt, könnten sich aktuelle Konzepte in der Diagnostik und Therapie in der Zukunft ändern.